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Franziska Roller

Die Bank-Ladies - wenn Frauen zu sehr rauben

Der Bankraub ist – kriminalstatistisch gesehen – eine Domäne der Männer. »Von den acht Fällen, in denen Frauen mitwirkten, geschah dies einmal als Lenkerin des in der Nähe der Bank abgestellten Fluchtautos, und in vier Fällen durch unmittelbare Unterstützung des den Überfall im wesentlichen leitenden männlichen Partners« (Császár 1975, 62). Daran hat sich auch zwanzig Jahre später kaum etwas geändert. In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 1998 heißt es lapidar: »Frauen betätigen sich nach dem polizeilichen Ermittlungsergebnis relativ selten als Räuber.« In der Rubrik »Raubüberfälle auf Geldinstitute und Poststellen« sind mit 95,2 Prozent fast alle Täter Männer. Doch die immerhin 4,8 Prozent der Fälle, die auf das Konto von Frauen gehen, können in den Medien mit besonderer Aufmerksamkeit rechnen. Die Neue Westfälische schreibt am 21. April 1999 über einen Überfall in Minden: »Mit einem Luftgewehr forderte die mit einer blauen Wollmütze mit Sehschlitzen maskierte Frau die Herausgabe des Geldes.« Ein anderer Fall wird aus dem kleinen Ort Buchbach in der Nähe von Landshut im August 1999 berichtet: »Zwei Angestellte bedienen eine ehemalige Kollegin, als eine weitere Kundin hinzu kommt. Und dann geht alles ganz schnell: Die zweite Frau umklammert die ehemalige Kollegin von hinten und hält der Geisel eine Spritze an den Hals. ›Geld her – oder ich spritze‹, fordert die Bankräuberin, die eine schwarze Perücke trägt, die Kassiererin auf« (ZET.NET Rosenheim ovb-online news, 28.8.1999). Wie einige ihrer männlichen Kollegen auch, bedienen sich einzelne Täterinnen intelligenter Täuschungsmanöver. Beispielsweise in Hamburg, wo eine »attraktive dunkelhaarige Frau« ihren Forderungen mit einer Bombenattrappe Nachdruck verlieh (Hamburger Morgenpost, 2.2.1980). Oder im Fall der Ulmer Bankräuberin, die am Telefon eine ganze Geschichte erfand: Sie sei Kriminalbeamtin und »in Ulm sei es mehreren Terroristen gelungen, mehrere Geiseln zu nehmen«. Man brauche nun alles verfügbare Geld, um die Geiseln freizukaufen. Dafür müsse auch die Filiale in Saffranberg ihren Beitrag leisten« (Welt, 26.11.1977). Brav rückte der Direktor knapp 40.000 Mark heraus, die Frau packte den Geldstapel »seelenruhig in eine große Tasche, bedankte sich, ging ruhigen Schrittes aus der Sparkasse und verlor sich in der Menge« (ebd.).


Historische Vorbilder

Die ersten berühmten Bankräuberinnen finden sich in den USA. So zum Beispiel Bonnie Parker, die in den dreißiger Jahren zusammen mit Clyde Barrow (-> Bonnie und Clyde) umherzog. Es wird berichtet, daß die beiden impulsiv waren, begeistert davon, Leute umzulegen, kurz gesagt: vollkommen unprofessionell. John Dillinger (->), einer der größten Gangster ihrer Zeit, soll gesagt haben, wegen Typen wie ihnen müsse die bewaffnete Räuberei um ihren guten Ruf fürchten. Beide hatten eine Schwäche für dramatische Szenen, sie liebten Publicity, und Bonnie schickte sogar schlechte selbstgeschriebene Gedichte über die Mär von Bonnie und Clyde an die Zeitungen. Auch ihr Ende ist berühmt: von 167 Kugeln getroffen in ihrem legendären Ford V-8. Die Polizisten, die den beiden die Falle gestellt und sie durchlöchert hatten, schleppten den Wagen mit beiden Leichen bis in die Stadt Arcadia, als Spektakel für alle am Wegesrand. Dort wurden die Leichen aufgebahrt und zur Schau gestellt. Bonnie Parkers Grabstein ziert ein Spruch, der sich nur mit viel Phantasie auf ihr Leben anwenden läßt: »As the flowers are all made sweeter by the sunshine and the dew, so this old world is made brighter by the lives of folks like you« (»So wie alle Blumen durch Sonne und Tau süßer werden, so wird diese alte Welt strahlender durch das Leben von Leuten wie dir«) (zit. n. Helmer 1998, 216; Übersetzung: F.R.).

Eine weitere weibliche Berühmtheit der US-amerikanischen Gangstergeschichte ist Arizon Donnie Clark alias Kate »Ma« Barker (->). Sie war die Mutter von vier Söhnen, die es in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren allesamt zu einiger Berühmtheit als professionelle Kriminelle gebracht hatten. Ma Barker starb an der Seite ihres Sohns Fred im Kugelhagel bei einem Feuergefecht mit dem FBI. Der Kriminal-Psychologe Hans von Hentig (1954) stilisierte sie gar zum »Michael Kohlhaas in Unterröcken«, doch ob sie tatsächlich das Oberhaupt der Barker-Karpis-Gang war, bei Raubüberfällen auskundschaftete und Schmiere stand, ist mehr als fraglich. Es wird kolportiert, sie sei eine geistig eher unterbelichtete Frau gewesen, die zu ihren Söhnen hielt, weil das eben Familie war, und die alle Vorwürfe gegen ihre Jungs als infame Lügen abtat.

»Die alte Frau konnte nicht mal ein Frühstück planen«, soll Harvey Bailey, ein Mitglied der Bande, gesagt haben. »Wenn wir uns hinsetzten und einen Bank-Job planten, ging sie ins andere Zimmer und hörte Amos und Andy oder Hillbilly Musik im Radio« (Helmer 1998, 138). Doch als das FBI feststellen mußte, daß es eine ältere Frau erschossen hatte, kam es wohl unter Rechtfertigungsdruck. Schnell sei die Legende in die Welt gesetzt worden, Ma Barker sei skrupellos, berechnend, kurz, sie sei der eigentliche Kopf der Bande gewesen und mit dem Gewehr in der Hand gestorben.

Die Zeiten der alten Gangster-Gangs mögen vorbei sein, doch die der Bankräuberinnen fangen vielleicht jetzt erst richtig an. Zwischen 1996 und 1997 stieg die Zahl der Banküberfälle in den USA allgemein drastisch an, und dieser Trend gilt auch für die Räuberinnen: »In der Tradition von Bonnie Parker erscheinen mehr Frauen auf der Bildfläche. Eine einzeln auftretende Räuberin terrorisierte Ende 1996 Banken in Marin County, Kalifornien. Im vergangenen Monat wurde ein vierzehnjähriges Mädchen von einer Bankkamera aufgenommen, das gerade von der Schule suspendiert war. Sie behauptete eine Waffe zu haben und befahl den Bankangestellten: ›Just do it‹« (Time Magazine, 31.3.1997; Übersetzung: F.R.).


Vamp – zarte Geliebte – Mannweib

In der Bundesrepublik beginnt die Geschichte der berühmten Bankräuberinnen erst in den sechziger Jahren mit Gisela W. In drei Jahren ›machte‹ sie mit ihren Komplizen insgesamt 19 Banken; im Zeitraum von 1965 bis 1968 erbeuteten die vier rund 400.000 Mark – das war zu dieser Zeit ein Nachkriegsrekord. Schon ihr erster Banküberfall heizte die Fantasien von Zeitschriften und LeserInnen an. Die Presse fand für sie bald den bewundernden Titel »Bank-Lady«. In Bild erschien sogar eine Karikaturenserie, die die Bank-Lady als attraktive Frau mit langen Beinen, Stöckelschuhen und Lippenstift zur feschen Heldin stilisierte. Seitdem ist »Bank-Lady« ein geflügeltes Wort, wenn Frauen sich nicht mit dem Auszahlungsvordruck, sondern mit der Waffe Geld besorgen. Eine vierzehnjährige, die mit ihrem Kumpel eine Bank überfiel, soll laut Bild (2.8.1990) sogar gesagt haben: »Ich bin die jüngste Banklady – woll’n Sie’n Autogramm?«

Die erste Bank-Lady fand schon während ihrer erfolgreichen Phase Nachahmerinnen: Der Stern berichtete über eine ganze Reihe von Pärchen, aber auch von Frauen ohne Begleitung, und er tat dies mit sichtlichem Vergnügen: »Am 4. Februar 1967 bereitete Birgit S. (19), die ihr Leben eigentlich der Freude gewidmet hatte, dem Kassenwart der Bank in Zeven Kummer, indem sie ihm 3.000 Mark raubte. Sie entkam im Schutze ihrer langen, schwarzen Haare in der Dunkelheit, aber Rivalinnen, deren Strich sie auf St. Pauli kreuzte, verpfiffen sie der Polizei« (Stern, 19.1.1969).

Von Kriminologen werden die wenigen Frauen, die Banken überfallen, schlichtweg ignoriert. Für Császár beispielsweise ist der Fall klar: Frauen sind für Banküberfälle in der Regel psychisch ungeeignet. Er berichtet über die von ihm untersuchte Gruppe: »Der einzige von einer Frau allein verübte Raubüberfall ist nach der Schüchternheit seiner Durchführung und der Bitte der gestellten Räuberin, sie als Frau doch laufen zu lassen, keine Ausnahme von der Regel, daß Frauen zur Begehung von Vermögensdelikten, die Gewaltanwendung gegen die Person erfordern, im allgemeinen noch nicht die nötige Mentalität mitbringen« (Császár 1975, 62).

Für die Medien sind die Räuberinnen hingegen ein gefundenes Fressen. Sie schlachten das seltene Ereignis hingebungsvoll aus, und sie versuchen, das Unfaßliche mit Sinn zu füllen und durch ihre Interpretationen in den Rahmen gesellschaftlich akzeptierter Weiblichkeit hineinzupressen. Das galt vor allem für besagte Gisela W., die bis heute berühmteste bundesrepublikanische Bankräuberin: Sie löste in der Presse regelrechte erotische Ausnahmezustände aus. Wenn eine Frau im Spiel ist, mutiert der Bankraub zum sexuellen Akt, sogar ein typisches Bankraubutensil wie der Handschuh wird – wenn Gisela W. ihn überstreift – als Sex-Accessoir beschrieben, mit Worten, die normalerweise für Kondome herhalten müssen: »Es war immer ein erregender Augenblick, wenn Gisela W. ihre dünnen Lederhandschuhe anzog, die so weich waren und so gefühlsecht«, fantasiert Balthasar Berg in einem Stern-Artikel : Auch die Tatsache, daß Gisela W. ihre Requisiten für die Überfälle im Schlafzimmer versteckte und gemeinsam mit ihrem Geliebten auf Beutezug ging, ist in den Augen des Stern eine besondere Erwähnung wert. Das Blatt geht sogar so weit, den gesamten Überfall als Teil einer Beischlaf-Szene mit ihrem Komplizen Peter W. zu interpretieren: »Jeder Überfall mit seinem prickelnden Drumherum war für Gisela wie ein unerhört raffiniertes Vorspiel, das unausweichlich in ihrem französischen Bett enden mußte« (Stern, 15.12.1968).

Der männliche Autor des »großen Verbrecher-Lexikons« beschreibt eine andere Bankräuberin, Margit Czenki (->), ebenfalls mit einem Vokabular, daß einem schlüpfrigen Groschenroman entliehen scheint: »Mit einem Trommelrevolver bewaffnet stand die blonde Frau mit den besonders betonten Backenknochen und ihrem weißen Knautschlackmantel auf dem Tresen und beschattete die Bankangestellten, während Kuhn das Geld einsackte, Otto die Bankkunden in Schach hielt und Heißler draußen im Fluchtauto wartete« (Sinn 1984, 199f.). Margit Czenki hatte im Jahr 1971 zusammen mit drei anderen eine Zweigstelle der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in München überfallen und wurde bald darauf gefaßt.

Das Medien-Bild der Räuberin changiert zwischen Vamp und zarter Frauenseele. Die Bank-Lady Gisela W. wurde nicht zuletzt auch für ihren angeblich besonders femininen Stil beim Rauben berühmt. Auf einige Schalterangestellte wirkte sie wie eine Erscheinung, und alle waren sich darüber einig, daß sie eine besonders höfliche Art hatte, die Banken um Geld zu erleichtern. In der Darstellung des Stern war sie ebenso Lady wie fürsorgliche, gefühlvolle Geliebte für ihren Komplizen Peter W.: »Das war es: sie liebte ihn bedingungslos, ohne Maß und ohne Grenzen … Das spezielle Können der Bank-Lady kam erst im Augenblick der Tat voll zur Geltung, denn ihre Qualitäten hatten die Wurzeln in starken Gefühlen: Vertrauen zu dem Geliebten, Entschlossenheit und unbeirrbarer Mut.«

Sexbesessener Vamp und Liebende – beide Stereotype müssen als Erklärung für das Unfaßliche herhalten: Daß es Frauen gibt, die sich doppelt nicht an die Spielregeln halten, weder an die des Staates noch an die ihres Geschlechts. Kein Wunder, daß auch eine dritte Erklärung immer wieder auftaucht, wenn es um raubende Frauen geht: Sie sind gar keine – oder zumindest keine richtigen. So wurde auch über Gisela W. kolportiert: »Nur eines stimmte nicht: Das Mädchen, das einmal die Bank-Lady werden sollte, wollte partout keine Frau werden. Sie war nett und lieb, und jeder mochte sie, aber ihre ganze Art war burschikos und jungenhaft salopp. Sie mußte achtzehn Jahre alt werden, bis bei ihr endlich eine Entwicklung spürbar wurde, die bei ihren Freundinnen schon mit dreizehn oder vierzehn Jahren eingetreten war. Sie mochte auch keine Männer. Sie war freundlich zu ihnen, aber sie hielt sie sich vom Halse« (Stern, 15.12.1968).

Aus ähnlichen Gründen hielt sich wohl auch das Gerücht, daß Bonnie Parker Zigarren rauchte; es wurde immer wieder in der Presse aufgewärmt. Die Verbrecherin mit der dicken Havanna im Mund – der »männlichsten« Tabakware schlechthin – paßt eben zu gut ins Medienbild des kriminellen Mannweibs. Das war offensichtlich auch Bonnie selbst klar. Sie war eitel genug, die Geschichte aufs Heftigste zu dementieren – das Foto, auf dem sie eine Zigarre hielt, sei nur ein Witz gewesen (Helmer 1998, 214).

Ins Muster der unweiblichen, somit abnormalen Räuberin paßt auch die Vermutung von Hans von Hentig, berühmte Verbrecherinnen seien machtgierig und hätten keinerlei Respekt vor Männern. Er sinnierte 1954 in einer Studie mit dem Titel »Der Gangster«: »Es gibt auch eine kleine Gruppe Frauen, die an Gewalt Gefallen finden. Es sind die Heroinen, die, wie Bonnie Parker, Zigarren rauchen, kommandieren, Männer gefügig sehen wollen. Sie haben früh die Illusion des ›stärkeren‹ Geschlechts verloren. Als Kellnerinnen sind ihnen die Augen aufgegangen. Weil sie zumeist im Kampf erschossen und danach verscharrt werden, ist unsere Kenntnis dieser Typen mager. Sie haben ein eigentümlich vertrautes Verhältnis zur Schußwaffe und zum Machtgefühl, das sie verleiht« (von Hentig 1954, 66).

Wo Hentig befremdet-faszinierte Vermutungen anstellt, vermag Oswalt Kolle den Zusammenhang mit gesellschaftlichen und geschlechterkulturellen Zuschreibungen mittels Sexualisierung des Handelns der Bankräuberinnen aufzuzeigen. Ursprünglich war er durch seine Bücher und Filme zum Thema sexuelle Aufklärung berühmt geworden. 1973 veröffentlichte er in der Frauenzeitschrift Jasmin einen Artikel über die bereits erwähnte Margit Czenki, die 1971 als Anführerin von drei jungen Männern eine Bank überfallen hatte. Über die Umstände ihrer Festnahme schreibt er: »Kriminalrat Georg Schmidt sagte: ›Sie war nackt, wie Gott sie schuf.‹ Von einem nackten Mann hätte er vermutlich nüchtern gesagt, er sei unbekleidet gewesen. Aber ›nackt, wie Gott sie schuf‹, das klingt halt bei einer Frau aufregend, das ist sexy. So wird die Frau, … die das Geld ›im Interesse der Lohnabhängigen verwertet hat‹ (Margit Czenki vor Gericht) noch in dieser bitteren Stunde der totalen Niederlage abgewertet, als Sexualobjekt, eben ›nur eine Frau‹.« Kolle sah ihren Bankraub als Versuch, »sich der Fesseln zu entledigen, die Frauen in unserer Gesellschaft immer noch tragen«.


Pleiten, Pech und Pannen

Ein Blickwinkel, der versucht, den jeweiligen Gründen der Frauen gerecht zu werden, ist die Ausnahme. In den meisten Fällen entwerfen Journalisten und Wissenschaftler Fantasiebilder von den Räuberinnen. Doch nicht erst auf dem Papier, auch bereits beim Überfall selbst müssen Frauen damit rechnen, von den Bankangestellten und Kunden ganz anders wahrgenommen zu werden als ihre männlichen Kollegen. Sie haben es aufgrund der geschlechtskulturellen Zuschreibungen von Schwäche und Unprofessionalität besonders schwer, gefährlich und entschieden zu wirken.

Die Salzburger Nachrichten 12.8.1999: »Einen Zettel mit den Worten ›GELD HER ODER ICH SCHIESSE‹ hatte sie vorbereitet. Doch den verwendete sie nicht. Kapuze tief ins Gesicht gezogen und Sonnenbrille vor den Augen, forderte sie die Kassiererin auf, ihr Geld zu geben.« Bei der Flucht wurde ihr jedoch zum Verhängnis, das ein Bankkunde vor ihr weitaus weniger Respekt hatte, als es wohl bei einem männlichen Bankräuber der Fall gewesen wäre: »Ihr knapp auf den Fersen: ein Passant, den die Kassiererin gebeten hatte, die Frau nicht aus den Augen zu verlieren, weil sie etwas mit dem Überfall ›zu tun‹ habe. Am Franz-Josef-Kai meldete sich der 50jährige Salzburger schließlich bei einem Polizisten. Silvia C. ebenfalls. Sie gab an, sie werde von jenem Mann verfolgt und belästigt. Beide wurden in den Streifenwagen verfrachtet.« Über die »Näherin Sylvia K. (26)« machten sich Medien wie Bankangestgellte richtiggehend lustig. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet sie als »harmloseste Bankräuberin der Münchner Kriminalgeschichte«: Sie »wirkte bei ihrem ›Überfall‹ auf die Commerzbank-Filiale gegenüber dem Strafjustizzentrum trotz Gaspistole und Küchenmesser so wenig furchterregend, daß eine der Angestellten sie mit ›komischer Vogel‹ ansprach« (Süddeutsche Zeitung, 10.1.1986).

Doch Frauen haben es nicht nur schwerer, als Räuberinnen ernst genommen zu werden. Das Bild der schwachen Frau wirkt auch auf ihr Selbstbild zurück. Häufig trauen sie auch sich selbst nicht genug zu, machen fatale Fehler. Eine Räuberin hatte sich beispielsweise beim Überfall mit Hartgeld abspeisen lassen und war noch in der Bank überwältigt worden. Eine 71jährige ließ sich ebenfalls Münzgeld geben. Das war im Vergleich zu Scheinen nicht nur sehr wenig wert, sondern auch schwerer, als sie tragen konnte: »Die Flucht mit der schweren Beute wurde jedoch von einem Hexenschuß vereitelt. Die Rentnerin wurde verhaftet« (Neue Mittelland Zeitung, 15.7.1999). Eine andere Seniorin hatte den Eindruck, den ihre Waffe auf den Banker machen würde, deutlich überschätzt: »›Überfall, Geld her‹, schrie sie. Aber der Bankchef, Hubert L., mußte sich mit aller Gewalt das Lachen verbeißen: Die Frau hatte nämlich eine ›geladene‹ Stöpsel-Pistole im Anschlag!« (Münchner Abendzeitung, 18.12.1984). Andere bekommen schon während der Tat Angst vor der eigenen Courage; über eine 53jährige schreibt die Neue Westfälische (21.4.1999): »Die Frau setzte sich zunächst in ihr Fluchtfahrzeug, sie kam dann aber zurück und warf das erbeutete Geld auf den Boden. Danach stieg sie in ihr Auto und fuhr davon. Knapp eine Stunde später kehrte die Frau zur Bank zurück und stellte sich der Polizei«. Pannen und Panikreaktionen kommen allerdings auch bei vielen Männern vor – die dummen, witzigen, unentschiedenen Überfälle, die auf das Konto von Männern gehen, könnten ganze Bände füllen. Bei den meisten Banküberfällen handelt es sich eben nicht um die Tat von coolen Profis (-> Schönberger/Bankraub und Lotto), sondern sie werden spontan ausgeführt und zumeist auch nur spärlich geplant.


Karitativ in Familie, Gesellschaft und bei Geldbeschaffung

Die häufigsten Gründe, die Männer für ihre Tat angeben, sind Schulden: »Der eine brauchts, um auf diesem Wege seinen Konsum an Betäubungsmitteln zu decken. Die anderen sind erheblich überschuldet und wissen deshalb nicht mehr ein noch aus. Das sind eigentlich die beiden großen Gruppen«, so ein Kriminalhauptkommissar in einem Zeitungsinterview (taz, 5.8.1989). Diese Gründe finden sich selbstredend auch bei Frauen: »Schulden in Millionenhöhe, die sie im Pokercasino im Airportcenter machte, sollen jene 48jährige Frühpensionistin zum Bankraub getrieben haben« (Salzburger Nachrichten, 12.8.1999). Ungeachtet dessen findet die Presse bei Frauen ganz andere Gründe als bei ihren männlichen Kollegen – zum Beispiel den Wunsch, für andere zu rauben. »Aus Liebe den Tresor geplündert – eine 29jährige Bankangestellte griff sich 750.000 Mark für ein Leben mit ihrem Freund aus Jamaica«, titelt die Berliner Zeitung (10.2.1998). In der Urteilsbegründung befindet der Vorsitzende Richter Laeger: »Die Liebe hat sie blind gemacht.« Hier muß einmal mehr das Klischee der gefühlsbetonten Frau herhalten.

Die meisten Bankräuberinnen werden in der Presse als Hausfrauen und vor allen Dingen als Mütter geschildert: »Schulden, Wucherzinsen, Unfall – das war zuviel. Verzweifelte Mutter beraubte Bank« (Hamburger Abendblatt, 27.12.1985); »Banküberfall im 9. Monat – Ich wollte eine größere Wohnung für unser Kind« (Aktuell, 19.4.1996); »Die Hausfrau, die eine Sparkasse ausraubte: Puschelohr, Mami ist wieder frei« (Bild, 22.12.1984). Ein gefundenes Fressen ist es, wenn die Kinder mit zur Bank genommen werden. »Während des Überfalls saßen die Kinder im Auto«, schreibt die Nürnberger Zeitung (10.9.1999) in der Kopfzeile ihres Artikel über eine 29jährige Bankräuberin. »Ihr vierjähriges Töchterchen wartete draußen im geparkten Auto, als die Hamburgerin Cornelia M. (26) die Filiale einer Bank in Bad Lauterberg betrat«, beginnt ein Bankraubartikel des Hamburger Abendblatts (27.12.1985).

Überschuldung, das Gefühl der Auswegslosigkeit bringt bestimmt weitaus häufiger Familienväter als -Mütter auf die Idee, durch Abheben der besonderen Art wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen. Doch ihnen wird der Familienbonus nicht zuteil. Zwar sind Frauen bei der Ausführung des Bankraubs deutlich benachteiligt und müssen schon eine Menge Professionalität mitbringen, um ernst genommen zu werden. Bei der Verurteilung haben sie jedoch immer wieder die Chance, mit einer vergleichsweise milden Strafe davonzukommen; die Vorstellung der Mutter, die sich schützend vor ihre Kleinen stellt und bis zum Äußersten kämpft, erweicht die Herzen der Richter und Staatsanwälte. So auch im Fall der Mutter zweier Kinder, die sich die Spielzeugpistole ihres Sohnes schnappte, weil die Haushaltskasse leer war, und gerade einmal 1.400 Mark erbeutete. Der Vorsitzende der Strafkammer befand, die Angeklagte »habe einen ›schwachsinnigen Banküberfall‹ begangen, um ihrer Familie ein Wiedersehen mit den Verwandten in Griechenland zu ermöglichen« (Nürnberger Zeitung, 10.9.1999).

Eine genauere Sichtung der meisten Fälle führt zu dem Schluß, daß die größten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Räubern darin bestehen, wie ihre männlich dominierte Umwelt sie wahrnimmt, sowohl beim Überfall selbst als auch in der Darstellung der Medien.

Das Erklärungsmodell Hilfsbereitschaft, das eng mit dem der Mütterlichkeit verknüpft ist, wird dann in der Presse aktiviert, wenn der direkte Mutterbonus nicht mehr anwendbar ist. Für die Medien ist der Weg von der karitativen Tätigkeit zum Bankraub bei Frauen besonders schnell zurückgelegt: Aus Hilfsbereitschaft verübte eine Einundsiebzigjährige einen Verzweiflungs-Bankraub. In Grevenbroich überfiel sie eine Sparkasse. Weil sie die Freundin ihres Sohnes vom Selbstmord abhalten wollte, aber nicht einmal die Fahrkarte zu den beiden bezahlen konnte, sah sie nur einen Ausweg: »›Überfall! Keine Triks. Schieze‹, kritzelte sie in aller Eile auf einen Zettel«, so die Neue Mittelland Zeitung, 15.7.1997.

Allerdings sind die karitativen Motive der Frauen nicht ausschließlich ein Medienkonstrukt. Schließlich teilen die Frauen selbst ja die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, wie sich eine Frau zu verhalten hat, wie sie fühlen und handeln muß, um ihrem Geschlecht gerecht zu werden. Denn Konzepte von Weiblichkeit sind nicht nur von außen auferlegte Zuschreibungen, sie werden im Lauf des Lebens verinnerlicht und prägen auch das Selbstbild von Frauen.

Und doch: Wenn Gisela W. noch dreißig Jahre nach ihrer Bankräuberinnenzeit vom luxuriösen und sorglosen Leben erzählt, das sie sich mit dem geraubten Geld ermöglichte, wird einmal mehr klar: Die Gründe, aus denen die jeweiligen Frauen rauben, haben nur sehr wenig mit den stereotypen Erklärungsversuchen zu tun, mit denen die Medien versuchen, das Phänomen in den Griff zu bekommen (Der geplatzte Traum 1999).


Politisches Exempel Frauenpower

Das Erklärungsmodell der uneigennützigen Tat wird auch bei den Frauen herangezogen, die sich aus politischen Gründen für einen Bankraub entscheiden. Margit Czenki dachte beispielsweise laut Kolle schon in ihrer Schulzeit über die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft nach: »›In unserer Klasse gibt es zwei Gruppen. Die reichen Mädchen und die armen. Die armen sind immer die Doofen. Sie trauen sich nichts zu, sie können sich nicht durchsetzen. Und deshalb bleiben sie auch immer doof.‹ Sechzehn Jahre später steht sie vor der Bankfiliale. Zwei Minuten vor dem Countdown ist Margit Czenki entschlossen, eine andere Verteilung des Geldes vorzunehmen. Sie will den Klassenkampf in die Schalterhallen der reichen Banken hineintragen – und die Beute ›im Interesse der Lohnabhängigen verwerten‹. So wird sie später auch vor Gericht immer wieder aussagen, ohne Bedauern, ohne Reue, bis zur letzten Minute stolz auf ihre Tat« (Kolle in Jasmin). Doch Kolles Interpretation blieb die Ausnahme; die meisten Artikel stellten ihr soziales Engagement und ihre Kinderliebe in den Mittelpunkt.

Für das Thema Frauen und Bankraub sind auch Rote Armee Fraktion (RAF) und Bewegung 2. Juni nicht unwichtig (-> Viehmann/Notgroschen der Revolution). Beide Gruppen ›organisierten‹ Geld für ihre Aktionen, indem sie Banken erleichterten, und in beiden waren Frauen selbstverständlich mit von der Partie. Einen Überfall auf eine Bochumer Bank führten drei RAF-Frauen 1979 ganz ohne ihre männlichen Genossen aus. Feministische Überlegungen waren bei der RAF normalerweise kein Thema; im bewaffneten Kampf, so ihre Überzeugung, war das diskrimierende Geschlechterverhältnis ohnehin aufgehoben – um so vielsagender, daß die Frauen gerade beim Banküberfall ein Exempel für Frauenpower statuierten.

Warum sich so viele Frauen dem bewaffneten Kampf anschlossen, blieb für Psychologen, Kriminologen, JournalistInnen ein Rätsel. Der Soziologe Erwin K. Scheuch konstatierte einen »Bruch mit der abgelehnten Weiblichkeit« (Spiegel 20/1981) – einmal mehr ein hilfloser Versuch, die Frauen für ihre unglaublichen Taten einfach zu entweiblichen. Der Kriminologe Wolf Middendorf klammert sich an seinen humanistischen Zitatenschatz und behauptet mit Schiller: »Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz, noch zuckend, mit des Panthers Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz …« (Spiegel 20/1981). Die Rechtsanwältin und Psychologin Margarete Fabricius-Brand glaubte, »daß die Terroristinnen Selbstbeschränkung, Selbstverleugnung und Selbstaufgabe in radikalster Form betreiben« und sie sich somit, wenn auch übertrieben, konsequent fraulich verhalten (Spiegel 20/1981). Um das Unglaublich glaubwürdig zu erklären, wird gerade bei den Frauen der Stadtguerilla einmal mehr das besondere weibliche Maß angelegt, das alles, was sie tun, ein bißchen verkleinert: Was bei den Männern bedingungslose politische Überzeugung ist, wird bei den Frauen zur fehlgeleiteten Nächstenliebe, was bei Männern als harte, kämpferische Disziplin interpretiert wird, ist bei ihren Genossinnen übertrieben feminine Anpassungsfähigkeit.

Für alle raubenden Frauen gilt gleichermaßen: Was nicht sein kann, weil es nicht sein darf, wird glaubhaft gemacht, indem es in den üblichen Kanon weiblicher Verhaltensmuster eingepaßt wird: durch Sexualisierung – sei es als Vamp oder im anderen Extrem als Mannweib, durch Lächerlichmachen, was einer Abwertung gleichkommt, und durch Karitatisierung d.h. durch eine Interpretation der Tat als Akt weiblicher Fürsorglichkeit. Und doch bleibt ein letzter Rest Faszination und Unbehagen in allen Erklärungsversuchen zurück. Denn wie man es auch auslegt und mit gängigen Stereotypen ummantelt, es bleibt der Fakt: Frauen tun’s auch.


Bank-Rapping

Coole Frauen mit dem Revolver in der Hand, fehlgeleitete weibliche Robin Hoods, Outlaws ohne femininen Touch oder raubende Vamps – Bild von Bankräuberinnen haben entweder eine romantische Färbung, oder sie liefern eine dramatische Geschichte über Auflehnung und Grenzüberschreitungen. Kein Wunder, daß bankräubernde Frauen eine besondere Faszination auf Regisseure und Filmemacherinnen ausüben. Die Frau mit der Waffe vor dem Schalter ist Stoff und Staffage für eine ganze Reihe von Filmen: John Waters, der für seinen Kult des Widerlichen, Extremen und Freakigen berüchtigt ist, verpflichtete Patty Hearst für zwei seiner Filme. Margarete von Trotta nahm die Geschichte von Margit Czenki als Vorlage für den Film »Das zweite Erwachen der Christa Klages«. Und Margit Czenki erzählt ihre Geschichte selbst in ihrem ersten Spielfilm »Komplizinnen«.

Kinofilmen wird inzwischen eine Frauen inspirierende Wirkung zugeschrieben, bis hin zur Entscheidung, nicht mehr auf den Lottogewinn zu warten. Auch das Time Magazin (31.3.1997) befürchtete in dem Kinofilm »Set it Off« mit der Rapperin Queen Latifah ein mögliches Vorbild. Dort versuchen vier schwarze Frauen, trotz aller Ungerechtigkeiten und Sorgen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Als alles nicht gelingt, beschließen sie, ihr Recht auf ein halbwegs anständiges Leben nun selber durchsetzen. Das geht nur mit dem Geld aus einer Bank. Der Film hat wahrlich kein Happy-End, nur eine kommt am Ende davon. Der direkten Weg von der Leinwand in die Gehirne und hin zur eigenen Tat ist ein bis zum Überdruß strapaziertes Argument, und es erklärt bekanntermaßen nichts (Schönberger/Roller/Zaiser 1994). Aber die Filme über den Traum vom schnellen, wilden, unerschrockenen Weg aus dem Elend zeigen immerhin Frauen, die ihr schlechtes Leben nicht mehr ertragen wollen und ihre Sache selbst in die Hand nehmen.


Quellen und Literatur
Császár, Franz: Der Überfall auf Geldinstitute. Wien u.a. 1975.
Helmer, William J.: Public Enemies: America’s Criminal Past, 1919-1940. New York 1998.
Hentig, Hans von: Zur Psychologie der Einzeldelikte. Bd. I: Diebstahl, Einbruch, Raub. Tübingen 1954.
Schönberger, Klaus/Roller, Franziska/Zaiser, Michael: Kritik der Medienkritik. Rassismus & Gewalt – Fernsehen und Videotapes. In: autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/mittlerer neckar (Hg.): Medienrandale. Rassismus und Antirassismus – Die Macht der Medien und die Ohnmacht der Linken. Grafenau 1994, S. 107-143.
Sinn, Dieter: Das große Verbrecher-Lexikon. Herrsching 1984.
Film:
Der geplatzte Traum: Die Banklady. Autor: Martin Niggeschmidt. Süddeutsche TV/Vox, 30.8.1999.



 
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