Die Zeilen stammen aus einem Lied von "The Clash", eine der wütenden, grimmigen britischen Bands aus der Zeit des Punks. "Manche sind reich, manche sind arm. So ist die Welt. Aber es bringt nichts, sich zurückzulehnen und sich mit seiner Situation abzufinden." Eine klare Aufforderung, etwas zu ändern. Für ein paar Stunden, ein paar Jahre oder für immer. Nur wie? Gute Punkbands haben immer auch ein Gespür für anarchistische Themen. Dazu gehört der Bankraub. Denn Bankräuber zeigen, dass auch die Habenichtse, Kleinen und Schwachen zu Geld kommen können. Der Staat protzt mit seiner Macht über die Währung, die Reichen leben in ihrer Glamourwelt. Bankräuber zeigen, dass das Geld für alle da ist. Mit ihrer Form der Gesetzlosigkeit gefallen die Täter der Gesellschaft, wenn sie denn auf Gewalt verzichten und stattdessen auf Frechheit setzen.
Wie die Gebrüder Sass beispielsweise in den 20er Jahren. Auch wenn die Polizei den Brüdern die Tat nie nachweisen konnte, so gilt als sicher, dass sie 1929 in die Disconto-Gesellschaft am Berliner Wittenbergplatz eindrangen, nachdem sie wochenlang einen Tunnel zum Luftschacht des Tresorraums gegraben hatten. Sie leerten 179 von 181 Kundensafes, nur die Superreichen wurden geschädigt. Und die wollten aus Furcht vor dem Finanzamt ihre Verluste nicht nennen. Geniale Idee, präzise Vorbereitung, fehlerlose Durchführung. Die Angst der Geschädigten, die selbst nicht ganz legal gehandelt hatten, erhöhte die Schadenfreude in der Stadt.
Erich Kästner war so beeindruckt von dem Meisterstück und der anschließenden Suche nach den Tätern, dass er seine Jungenbande in dem Buch "Emil und die Detektive" an der Fahndung teilnehmen ließ. Franziska Buch hat das Kinderbuch verfilmt, es kommt Ende des Monats in die Kinos. Auch andere Regisseure nutzten die Faszination des Bankraubs für ihre Filmprojekte. Manchmal war ihnen der Humor wichtig, wie Lars Büchel, der zuletzt "Jetzt oder nie - Zeit ist Geld" drehte. Manchmal wollten sie ihre Begeisterung nur schnell in Bilder umsetzen, wie Werner Klinger in "Banktresor 713" (1957), oder beschrieben den beeindruckenden Zusammenhalt der Bande wie in "Rififi" (1954).
Die Polizei tappt in den Filmen meistens im Dunkeln. Oft sind die Ermittler die Verlierer, weil sie den klugen Tätern nicht auf die Spur kommen. Erst durch Fehler der Bankräuber können sie in der Regel die Fälle aufklären. In der Realität gibt es bei keinem anderen Delikt so viele Anfänger, die zuvor nicht kriminell aufgefallen waren. Sie sehnen sich nach gesellschaftlicher Umverteilung oder wollen ihren privaten Luxus finanzieren. Das Täterbild ist zwangsläufig sehr diffus. Somit ist nahezu jeder Bundesbürger erst einmal verdächtig, jeder Bürger also ein potenzieller Verbrecher. Vielleicht haben die Sicherheitsbehörden auch deshalb so große Angst vor der Umstellung von Mark zu Euro und fürchten den großen Coup Anfang des kommenden Jahres. Dann werden jedenfalls 15 Milliarden neue Banknoten und 50 Milliarden Münzen an über 300 Millionen Menschen verteilt. Das ist so viel Geld, dass eine EU-Kommission fürchtet, die Gebäude und Tresore könnten durch das enorme Gewicht Schäden erleiden, Stahl und Beton unter der Last des Geldes zerbröseln. Das Kreditgewerbe zittert und fordert den Einsatz der Bundeswehr. Und niemand weiß, ob die Zahl der Geldtransporter für die Masse an Scheinen und Münzen ausreichen wird.
Aber sicher ist: So lange alles Glück in der Maßeinheit Geld gemessen wird, wird es Banküberfälle und Bankräuber geben. Das kann niemand verhindern. Als Zuschauer können wir uns allerdings wünschen, dass es mehr Banküberfälle mit Stil und mit Format geben möge.
TEXT: Klaus Schönberger
Klaus Schönberger ist Herausgeber des Buches Va Banque - Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte. Verlag Assoziation Schwarze Risse - Rote Strasse, Hamburg 2000.
aus: Frankfurter Rundschau, 10.02.2001