Geklautes Trinkgeld für die Polizei

Ein Buch beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie
und Praxis des Bankraubs

Von Gitta Düperthal


"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank":
Von welchem großen Denker stammt dies geflügelte Wort bloß? Karl
Marx, Hermann Josef Abs, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der
Deutschen Bank, oder Bert Brecht? Bevor der Kulturwissenschaftler
und Historiker Klaus Schönberger in einen Tresor griff und sein Buch
mit dem Titel "Va Banque - Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte"
herausholte, schwitzte das Publikum über einem
Multiple-Choice-Test. Hierfür war Allgemeinbildung nötig: Man sollte
schon wissen, dass die "Bewegung 2. Juni" bei ihren Banküberfällen
nicht [...] und auch keine [...] verteilte, um die
Bank-Kunden zu beruhigen, sondern [...] [Auslassungen vom Webmaster]

Im Rahmen der Veranstaltung "Gegen Buch Masse" tagte in
Offenbach im Rotari eine lustvoll-anarchische Gemeinschaft, die -
wohl weil der Bankraub ein männliches Geschäft ist, wie Schönberger
erörterte, nur 4,8 Prozent Täterinnen seien in die Polizeistatistik
eingegangen - an der Bar nur mit harten Drinks bedient wurde.

Zunächst wurde ein Film aus "Aspekte" (ZDF) gezeigt, der nicht nur
das Buch äußerst freundlich ankündigte, sondern sich auch dessen
Sujet mit viel Sympathie annahm. Beim ZDF plädierte man für die
höfliche Variante des Bankraubs. Hektische Panikmache sei "total
out". Stattdessen gab es Ratschläge: Man möge, als Freund und
Helfer verkleidet, die Bankklientel auffordern, sich nicht zu rühren, bis
die "Kollegen" kommen - und diesen dann ein großzügiges Trinkgeld
hinterlassen.

Solcherart vom Fernsehen geadelt, begrüßte Schönberger gut
gelaunt "die lieben Freundinnen und Freunde des Bankraubs" und
wies auf den guten Zweck der Veranstaltung hin: "Die Tatsache, dass
so Viele hier sind, macht die Banken in Offenbach heute Abend
sicher." Dann gab es jede Menge zu lernen, was in der mit fröhlicher
Indifferenz angelegten Anthologie Va Banque nachzulesen ist: Etwa,
dass die Frage "Warum raubt jemand eine Bank aus?" falsch gestellt
sei, vielmehr müsse es heißen: "Warum stehlen so viele Menschen
nicht?" Schließlich würden in der bürgerlichen Gesellschaft stetig
Bedürfnisse geweckt, deren Befriedigung den meisten versagt
bleibe.

Katharina Kinder, eine Autorin des Buchs, saß locker auf einem
Barhocker, und verkündete im Nachrichtenstil Sorgen der Wiener
Polizei: Zunehmend müsse man sich mit rechtschaffenen Bürgern
auseinandersetzen. Und als "MC Orgelmüller" zum Abschluss
leidenschaftlich bei Bernie Lees und Trickys Rocknummer Product of
the environment - was soviel heißt wie "Opfer der Umstände" -
mitsang, und den "Timbuk 3"-Hit Bankrobber pries, bei dem der
Sänger so herrlich unverständlich ins Mikro rotzt, war "echt gute
Stimmung", wie man in der Szene so sagt.

"Va Banque", Hg: Klaus Schönberger, Verlag Libertäre Assoziation
und Verlag der Buchläden Schwarze Risse Berlin.

Frankfurter Rundschau (23.10.2000)