»Va Banque«: Ein Tübinger Kulturwissenschaftler hat es auf Bankräuber abgesehen

Ein gelungener Coup

Klaus Schönberger über die Kunst des Banküberfalls

Von Marianne Mösle

Tübingen. (GEA) »Ich empfehle niemandem, eine Bank auszurauben«, spricht spürbar süffisant der Tübinger Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger. Soeben hat er ein Buch dazu herausgegeben: »Va Banque« heißt es, gegen die Bank. Eine Übersicht über Theorie, Praxis und Geschichte des Banküberfalls. Über 300 Seiten, gedruckt auf lachsfarbenem Financial-Times-Papier (Verlag Libertäre Assoziation, Schwarze Bisse, Rote Straße), mit einem Medienecho, das einen spektakulären Bankraub in den Schatten stellt. Ein gelungener Coup. Man sollte annehmen, dass man es bei Schönberger mit einem Fachmann, was Banküberfälle anbelangt, zu tun hat. Aber, meint er bescheiden: »Derjenige, der Tipps von mir braucht, sollte lieber die Finger davon lassen.« Weil er kein Bankräuber ist, sondern Volkskundler. Und wie kommt ein Kulturwissenschaftler zum Bankraub?? »Da gibt es zwei Geschichten«, erzählt er schmunzelnd. Zum einen habe er eines Abends mit einem ehemaligen Bankräuber einen Bankraub-Film angeschaut und ihn dann gefragt, was der Fachmann dazu sagt. »So leicht, ist das alles auch wieder nicht«, lautete dessen Antwort. Das war der erste Anstoß für gemeinsame Überlegungen, wie man Klarheit in das heikle Thema bringen könnte.

Verlockende Tresore

Die andere Geschichte ist das Interesse des Kulturwissensehaftlers an allem, was Fantasie und Alltag des einfachen Mannes beflügelt. Er selber genauso wenig wie andere sei frei von der Faszination, die der Gedanke an die Tresore der Banken ausübe, gesteht Schönberger. Weil hier im Überfluss gelagert ist, an was es den meisten Menschen normalerweise mangelt. Als Klaus Schönberger vor zwei Jahren anfing, zu recherchieren, musste er feststellen, dass der Bankraub, abgesehen von kriminalistischen Studien, ein wissenschaftlich völlig unbeackertes Gebiet war. »Ich wollte einen breiten Ansatz wissenschaftlich und doch einfach zum Lesen.« Von der Geschichte des Bankraubs über den Bankraub im Osten bis zum Bankraub im Internet, vom Krimi bis zu den Biographien bekannter Räuber sowie Räuberinnen sollte alles vertreten sein. Schönberger sammelte und suchte Autoren für seine Themen, »nur wenige haben abgelehnt«.

Jede Menge Stümper

»Es war eine Gradwanderung «, sagt der Herausgeber. Aber die meisten seiner Autoren seien mit »fröhlicher Indifferenz« an den Bankraub herangegangen. Was Schönberger am meisten fasziniert hat, ist die Tatsache, dass Bankraub eben kein typisch kriminelles Phänomen ist: »Wann immer jemand in Schwierigkeiten kommt, liegt der Bankraub nahe.« Nicht umsonst ist die Amateurrate sehr hoch. Unter den Bankräubern tummeln sich jede Menge Stümper. Egal ob biederer Polizist oder Rentnerin, viele haben es schon probiert. Weil ein Bankraub jedoch ein ordentlich Maß an Planung, Logistik, an technischer und intellektueller Fähigkeit verlangt, werden die meisten Räuber im Handumdrehen geschnappt. »Nur die Profis sind die Helden, jene die nicht erwischt werden, die den Behörden ein Schnippchen schlagen«, sagt der Kulturwissenschaftler nicht ohne einen Anflug von Sozialromantik. Am sympathischten sind ihm diejenigen, die mit Stil und Format rauben, weil sie nicht mehr arbeiten wollen. Ob ein Banküberfall allerdings hilft, das Problem der Lohnarbeit zu lösen, bleibt fraglich: Im Durchschnitt werden gerade mal 15.000 bis 30.000 Mark erbeutet. Gelungene Coups sind selten. Lesungen mit Film und Bankraubquiz: am 7. Oktober, um 20 Uhr im Sudhaus in Tübingen und am 31. Oktober um 20 Uhr im Cafe Nepomuk in Reutlingen.

(Reutlinger General-Anzeiger, 6.10. 2000)