(Margit Czenki saß nach einem Banküberfall 1970, der im Zusammenhang mit den Vorläufern der Bewegung 2. Juni stand, fünf Jahre in Haft; sie ist in Hamburg immer noch politisch aktiv)
F: Sie sind am Montag in der Schweiz festgenommen worden.
Ja, ich bin mit dem Flugzeug in Zürich eingereist. Ich hatte Einladungen von der Kunsthochschule in Basel und von der in Zürich. Bei beiden Institutionen sollte ich jeweils ein Referat halten und einen meiner Filme zeigen, wo es um Sankt Pauli und ein Nachbarschaftsprojekt geht. Ich habe mich nachts um halb zwei Uhr im Hotel eingecheckt. Um 6 Uhr stand schon die Kripo da und hat mich aus dem Bett geholt. Ich mußte zur Wache.
F: Was werfen die Schweizer Ihnen vor?
Ich bin seit 1976 unerwünschte Ausländerin. Ich wußte aber nicht, daß das noch anhält. 1970 hatte ich diesen Bankraub gemacht in München, damals im Zusammenhang mit Vorläufern der Bewegung 2. Juni. Ich habe fünf Jahre gesessen. 1976, da war ich gerade aus dem Gefängnis heraus, war ich ganz legal in die Schweiz eingereist. Ich mußte mich vorher auch noch bei der Polizei in Deutschland abmelden. In der Schweiz bin ich aber ohne jeden Grund auf der Straße festgenommen worden. Ich wurde dort eine Woche lang festgehalten, ohne daß ich jemanden benachrichtigen konnte.
Dann wurde ich der deutschen Polizei in Schaffhausen übergeben. Danach war ich unerwünschte Ausländerin in der Schweiz mit der amtlichen Begründung: Ich habe in Deutschland eine Straftat begangen. Und das hieß damals unbefristet.
Ich dachte aber, auch unbefristete Geschichten wären nach 20 Jahren verjährt.
F: Was wurde Ihnen gesagt?
Das es nicht verjährt ist, daß ich nach wie vor im Computer bin. Nun war ich aber in der Zwischenzeit mehrmals in der Schweiz, und da war nichts.
1996 war hier in Zürich dieser große Kongreß zur Guerillabewegung. Damals hat man mir gesagt, dieser Status sei jetzt für alle aufgehoben, also auch für mich. Davon bin ich ausgegangen. Das hat mir auch der Anwalt gesagt, der mich damals vom Flughafen abholte. Nun ist das aber nicht so. Die Schweizer Bundesbehörde für Ausländerfragen hat das nicht gestrichen. Die sind wohl ziemlich stur. Keiner konnte das fassen. Unbefristet als unerwünschter Ausländer giltst du normalerweise nur, wenn du mit 20 kg Heroin erwischt wirst. Vor etwa zehn Jahren hat mein Münchener Anwalt einen Antrag auf Streichung gestellt. Die Schweizer haben das ohne jede Begründung abgelehnt.
F: Und wie lief das jetzt ab?
Ich war den Tag über im Gefängnis und bin abends dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Aber auch das lief nur auf Druck der Öffentlichkeit.
F: Wie ist man mit Ihnen umgegangen?
Ich bin der Ausländerbehörde übergeben worden und dann in dieses Gefängnis gekommen. Ich wurde auch
erkennungsdienstlich behandelt. Da habe ich noch richtig Ärger mit einer Beamtin gehabt. Ich bin gefesselt worden, sogar noch, nachdem der Untersuchungsrichter schon gesagt hat, daß ich frei bin. Die Beamtin hat auf die Fesselung bestanden. Mittwoch morgen mußte ich wieder hin und erst dann hat der Untersuchungsrichter mich endgültig freigesetzt.
F: Wie geht's nun weiter?
Von meinem Anwalt hier wird ein Verfahren angestrengt, daß die Schweizer das endlich löschen. Niemand, also weder die Kripo noch der Untersuchungsrichter, hat irgendeine Information bekommen, was eigentlich gegen mich vorliegen soll. Also weswegen ich unerwünschte Ausländerin bin. Keiner versteht das, weil das so nicht üblich ist, unbefristet, und solange Zeit. Die Bundesbehörde für Ausländerfragen gibt nicht mal ihren eigenen Leuten etwas in die Hand. Die mauern, die sagen niemandem was, sie haben nur düstere Andeutungen gemacht.
F: Haben Sie irgendwelche Auflagen bekommen?
Nein, ich reise ja sowieso aus.
Interview: Paul Sommer