Von Sozialrebellen und Volkshelden

Klaus Schönberger gibt Buch über Geschichte des Bankraubs heraus


(ioa) – Auf zum fröhlichen Bankraub? Nein, so weit will es Klaus Schönberger, Kulturwissenschaftler und Herausgeber des Buchs "Va Banque", nicht treiben. Auch wenn der in Tübingen arbeitende gebürtige Marbacher dem Tresor knackenden Gewerbe mit "fröhlicher Indifferenz" begegnet.

Die These, die dem über 300 Seiten starken Buch zu Grunde liegt, ist eine aus dem Leben gegriffene: "Die Tresore der Banken beflügeln seit jeher die Fantasie." Stimmt! Wer hat nicht schon mit dem Gedanken gespielt, sich das dringend benötigte Geld mit einen toIldreisten Coup in einem Geldinstitut zu beschaffen – wenn's mit dem Lottogewinn schon nichts wird? Noch dazu genießt der Bankraub eine gewisse Popularität in großen Teilen der Gesellschaft.

Form der Gesellschaftskritik

Denn die Bank stehe für "gerechte und ungerechte Geldanhäufung", sagt Schönberger. "Die soziale Frage steht auf der Tagesordnung", erklärt der 41-jährige Wissenschaftler. Nicht zuletzt weil sich die Kluft zwischen steigendem Konsumangebot und den sinkenden finanziellen Möglichkeiten der Menschen vergrößert. Insofern sei das Buch zum Bankraub eine "Form der Gesellschaftskritik, wenn auch auf ungewöhnlichem Wege". Bei seinen Recherchen sei er immer wieder auf die Freude der Menschen über ausgeraubte Banken gestoßen. "Das ist von Israel bis in die USA so", sagt Schönberger. Folgt man diesem gesellschaftskritischen Ansatz, erklärt sich auch die Popularität der Bankräuber. Vom einstigen Sozialrehellen, der sich nur durch den Überfall auf Postkutschen oder später Banken aus seiner misslichen Lage hefreien konnte, bis zum Gentlemen-Genie, der mit stilvollen und gut durchdachten Coups zuschlägt: Den Bankräuber umgibt ein Hauch von Heldentum, denn er begehrt gegen das System auf, er richtet seine Tat gegen eine Institution, deren Image ohnehin zweifelhaft scheint, und die Zuschauer können in ihn "ihre eigenen Träume projizieren". "Wir machen uns nichts vor", bricht Schönberger die Lanze für die objektive Wissenschaftlichkeit, "bei uns wird nichts glorifiziert."

Helden werden dekonstruiert

Vielmehr werde das vermeintliche Star-Dasein der Bankräuber "von vorne bis hinten dekonstruiert". Ohnehin ist es mit dem Heldenhaften nicht weit her, wenn der Täter scheitert. Schnell wendet sich sein Publikum von ihm ab und verhöhnt den Räuber. Schönberger: "Solange sie gewinnen, sind sie die Helden. Sobald sie aber auf das Maß zurück gestutzt werden, was sie sind, werden sie immer dümmer gemacht." So etwa die Zürcher Posträuber von 1997. Ihr Husarenstück rang selbst eidgenössischen Politikern Sympathien ab. 53 Millionen Franken packten die Räuber damals ein und ließen sogar weitere 17 Millionen zurück – schlicht weil die Gauner keinen Platz mehr in ihrem Auto hatten. Und als die Gangster dann auch noch geschnappt wurden und sich als dumme Männer entpuppten, brach der Spott, den bis dahin die Polizei einstecken musste, über die Gauner herein. Trotz des drohenden Popularitätsknicks: Die meisten Einsteiger in die Kriminalität versuchen es zuerst mit Banken. "Das deutet darauf hin, dass die Leute glauben, dadurch ihre Probleme in den Griff zu bekommen."

Amerikanische Entwicklungshilfe

Kein kulturwissenschaftliches Buch ohne historischen Rückgriff. In mehreren Kapiteln beschäftigen sich die Autoren von "Va Banque" mit den Wurzeln und Weiterentwicklungen des Bankraubs. In Europa ist diese Art der Geldbeschaffung noch weitgehend jung. Erst um 1840 entstehen vielerorts Sparkassen. Überfälle fanden aber kaum statt. Erst als US-amerikanische Ganoven, aufgeschreckt durch die einst im "Wilden Westen" relativ erfolgreichen Pinkerton-Detektive, nach Frankreich flohen, hielt der Bankraub um 1870 in Europa Einzug. So heißt es in einem Beitrag: "Die Entwicklung dieser Deliktform in Europa beruhte auf US-amerikanischer Entwicklungshilfe." Doch das Buch bietet über den historischen Blick hinaus noch andere Sichtweisen und wirft interessante Fragen auf. Etwa die, ob "Banken-Sicherungssysteme" Geiselnahmen fördern und wie die Zukunft des Bankraubs ausschauen könnte ("Bytes statt Banknoten"). "Nichts wie weg", heißt es zum Thema "Mobilität und Bankraub". Andernorts steht der Leinwand-Banküberfall im Vordergrund. Bei so viel Bankraub darf die Frage nicht ausbleiben, oh das Buch der Ersatz für den eigenen Wunsch ist, ein Geldinstitut zu überfallen? "Nein", lacht Klaus Schönberger, "dazu war es zuviel Arbeit, und es kommt kaum was dabei raus."

Info: Klaus Schönberger (Hg.): Va Banque – Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte.; 332 Seiten, 34 Mark, Verlag Libertäre Assoziation.

Bildunterschrift: Klaus Schönberger würde keine Bank überfallen, oder doch?

Ludwigsburger Kreiszeitung, 18.10. 2000