Wenn es stimmt, wie Ronnie Biggs und die Sex Pistols es freundlich ausdrücken ("No one is innocent"), dann, ja dann stellt sich die Frage neu und damit auch noch einmal anders: Dann heißt es nicht, warum überfallen so wenige Menschen eine Bank, sondern warum überfallen so viele keine Bank? (vgl. »Va Banque«, S. 131) Dies kann hier nicht endgültig geklärt werden. An dieser Stelle möchte ich (m)einen kleinen, ganz persönlicher Ausflug in musikalische Welten unternehmen. Ich lade Sie ein, den Spuren im Dschungel des Bankraubs in der Pop-Musik zu folgen und wünsche gute Unterhaltung!
Musik und Bankraub dürfen für sich in Anspruch nehmen, ein Bild freizusetzen, das allen gut bekannt ist ein dunkel gekleideter Herr mit Hut betritt mit einem Geigenkasten eine Bankfiliale. Und auch eine Umkehrerfahrung ist vielen gemein, vielleicht jedoch nicht bewußt: Im Gegensatz zu einem Bau- oder Supermarkt, ertönt in einer Bankfiliale keine Hintergrundmusik die zu Geschäften anregen soll die Aura des Raums soll vermutlich die Bedeutung der Geschäftsart potenzieren. Wir befinden uns in einem religiös aufgeladenen Raum: Geld = Gott. Oder hat schon mal jemand versucht, mit einem Ghetto-Blaster auf der Schulter (bei voller Lautstärke) bei seinem Lieblingskassier Franc, Lira oder Peseta einzutauschen und wurde nicht auf die Störung des Bankalltags hingewiesen? Wer ein Gegenbeispiel kennt, möge es mich wissen lassen ...
In den fünziger Jahren, die Schellackplatte wird langsam aber sicher durch das Vinyl abgelöst, ertönt in einer Aufnahme die Stimme Fred Buscagliones. Buscaglione, selbst ein Vertreter des italienischen "mala vita", beschreibt das Gefühl des gelandeten Coups. Sein Stück "Le Rififi", das mit quietschenden Autoreifen und einer Salve aus einem Maschingewehr beginnt und endet, verweist auf die harte Welt der krimminellen Geschäfte, in der Heldenverehrung und die Mythen des Ganovenwesens nur wenig Platz hatten auch wenn Buscaglione mit seiner Aufnahme genau dazu beiträgt. Der stets sehr nobel gekleidete Buscaglione sah Mitte der fünfziger Jahre, vermutlich infolge langdauernden übermäßigen Drogenkonsums, wenig oder keine Perspektive mehr für sich, und brachte sich mit einem Kopfschuss selbst um.
Die Wut auf die Verhältnisse verhalfen dem Punk zu ungeahntem Höhenflug. Selbstredend findet sich auch hier ein Stück, das exemplarisch für viele steht. Die Londoner Band "Peter & the test tube babes" haben vermutlich Anfang der achtziger Jahre ein Stück Musikgeschichte geschrieben. Ihr Stück "Wanna rob a bank" ist derart in das Mikro hineingerotzt, dass selbst "London native speakers" den Text nur bruchstückhaft verstehen können. Der Sänger knurrt "wanna get´s fucking rich quick" - ansonsten ist nur der Refrain, dieser allerdings sehr gut, verständlich: "Wanna rob a bank" diese Zeile taucht in 2.39 min, so lange dauert das Lied, immerhin 37 mal auf. Auch eine klare Aussage.
Der Weg war bereitet für das, was in den USA als Gangsta-Rap gehandelt wird - womit wir in der heutigen Zeit angekommen wären. Aus der Fülle der prominenten Gangsta auszuwählen scheint eine unmögliche Aufgabe. Erleichtert wird meine musikalische Reise durch "MC Face", einen kanadischen und bislang wenig bekannten Rapper, der eine genaue Beobachtungsgabe an den Tag legt. "He bought a pistol and a mask" und ein anderer "is the master with the wheel" und schließlich reibt er sich verwundert die Augen: "Oh my god I can´t believe, they´re so good at robbery..." Sein Stück heißt, wer hätte das gedacht, "Bank Robbery".
Die östereichische Pop-Gruppe EAV bescherte Mitte der achtziger Jahre einen Gassenhauer des Genres, auf den hier nicht weiter eingegangen werden soll. Allerdings läßt sich (leicht abgewandelt) festhalten: Ba-Ba-Banküberfall - Der Bankraub ist immer und überall. Dies zeigt sich auch darin, dass eine große Fülle verschiedensprachlicher Interpretationen des Themas zu finden ist. Zu erwähnen ist hier die fantastische Version von "Bonnie & Clyde", die Serge Gainsbourg und Brigitte Bardot zusammen aufgenommen haben und die anderen KünstlerInnen nach wie vor als Vorlage dient. Das Gangsterpärchen inspirierte auch die Vorlage für das gleichnamige Stück, das Itadu Hikaru eingespielt hat eine japanische Version, die textlich möglicherweise brilliant ist, musikalisch aber nicht überzeugen kann. Der italenische Jazzer und Komödiant Enzo Jannacci, der auch schon mal mit Dario Fo zusammen auftritt, besingt in seinem Stück "Faceva il palo" die tatsächliche oder vermeintliche Teilnahme an einem Bankraub. Im Grund besagt der Titel nichts anderes wie: "Ich war der Schmieresteher der Ortica-Bande" ein Bankraub will eben gut geplant sein. Einen schönen deutschsprachigen Beitrag liefert 1997 die Band "Schröders" mit ihrer musikalischen Darbietung vom "Banküberfall"- eine poetisch angefixte Sprache mit wilden Punkriffs: "Feuer in meiner Seele, Straßen in Rotation. Fehler in den Systemen, volle Konzentration. Hände hoch, dies ist ein Überfall ... Banküberfall!" Zu guter letzt in dieser Rubrik noch ein Hinweis für die FreundInnen lateinamerikanischer Rythmen: Aus Venezuela kommen "Calavera" und sie erzählen von, genau, dieser einen Idee: "Pa robar un banco".
Stilistisch läßt sich das Thema nicht fassen, wäre ja auch noch schöner. Die bereits erwähnten "Calavera" präsentieren sehr tanzbaren karibischen Son, bekannt wurde Musik dieser Art zuletzt durch den Film "Buena Vista Social Club". Wer mehr auf Trance steht, der/die könnte bei Joe Dassins Ballade "La bande à Bonnot" auf die Kosten kommen. Das Stück beschreibt die Geschichte der Bonnot-Bande (Jules Bonnot war bekanntlich der Erfinder des automobilen Bankraubs und ein harter und wüster Zeitgenosse) und macht deutlich, dass das Akkordeon seinen Platz in der Popgeschichte des Bankraubs gefunden hat. Wer es smoothy mag, dem seien die guten alten "The Clash" ans Herz gelegt. Ihr "Bank Robber", ebenfalls Vorlage für Dutzende von Coverversionen, verknüpft den Traum vom Geld mit der Option, die Sache selbst in die Hand zu nehmen: "Some is rich and some is poor, that´s the way the world is. But I don´t believe in lying back. sayin´ how bad your luck is." Ich empfehle die Dub-Reggae-Version! Unvermeidlich an dieser Stelle ist ein Discothekenbesuch in Hamburg oder München im Jahr 1984. Frank Farian (der spätere Produzent von "Milli Vanilli" (sic!)) läßt die von ihm gemanagte Band "Boney M." auf das Publikum los. Das Stück "Ma Baker", unerklärlicherweise wurde aus der historischen "Ma Barker" das "r" entfernt, ist für sein leicht singbares Versmaß berühmt. "MaMaMaMa Ma Baker, she tought her four sons, MaMaMaMa Ma Baker, to handle their guns..." Wer mehr über die möglichweise zu Unrecht berüchtigte Ma Ba(r)ker wissen will, werfe einen Blick in das Buch "Va Banque" dort ist ihre Geschichte nachzulesen.
Einige Stücke zum Thema beschäftigen sich eher leiser, dafür umso inhaltlicher mit der ganzen Angelegenheit. Allen voran das schöne Gitarrenstück von "Timbuk3". Im weiblich/männlichen Duett gesungen, erzählen sie ihre Version des "Bank Robber". Ein kurzer Textauszug: "Bank Robber, yes Sir, that´s my occupation. Bank robber, you could say it´s my vocation. It´s a cold and lonely job, but I love the compensation." Musikalisch aus der gleichen Ecke erzählt Joan Armatrading von ihrer "Opportunity". Da ist ein Freund der plötzlich vor der Türe steht und es gibt diesen totsicheren Plan. Die Tat wird ausgeführt ("we did the job") und was folgt ist nicht das Leben in Saus und Braus, sondern die Verhaftung durch einen Polizisten bei einer Straßenkontrolle. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Bankräuber mitunter auch geschnappt werden ...
Eine ganz besondere Form von "Melodien für Millionen" führt uns ins Tonstudio. Manchmal tauchen dort ehemals Aktive auf und nehmen, meist mit Unterstützung von bereits populären MusikerInnen ein oder mehrere Stücke auf. Wegweisend und getreu seinem eigenen PR-Image war Ronnie Biggs und die Sex Pistols (s.o.), der auch mit den Toten Hosen das Stück "Punk was" eingespielt hat. Hinweisen möchte ich auf eine relativ neue Scheibe, auf der jede Menge ehemaliger Ganoven, darunter auch zwei Bankräuber zusammen mit Tricky ihre Lebensgeschichte vertont haben. Auf der CD "Product of the Environment" (Opfer der Umstände) kommen Freddy Foreman, Geldschrankknacker und Türsteher, als auch Bernie Lee, ebenfalls Spezialist für Bankeinbrüche zu Wort. Lee, dessen aktive Zeit in den vierziger Jahren in London war, betont, dass er der erste war, der Safes mit Nitro geöffnet hat: "I love nitro. Nitro is easy." Nomen est omen.
Bankraub in der Popmusik ist ein schwer kurz und knapp darstellbares Sujet. Ich wollte Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit meinen Ausführungen mit dem Thema vertraut machen und einige, mir erwähnenswerte Tracks und InterpretInnen kurz vorstellen. Jedoch: machen Sie sich selbst Ihr Bild. Eine letzten kleinen Hinweis will ich noch geben. Unten finden sich Text-Links zu einigen der angesprochenen Stücke, klicken Sie sich einfach durch. Und nicht zuletzt sind da auch meine Lieblings-Bankraub-Hits versammelt persönlich, engagiert, kompetent.
In anderen Situationen, z.B. während eines Bankraubs, können andere musikalische Wege beschritten werden. Aus Kenia wurde im April 1999 berichtet, dass sechs Bankräuber erst die Bank ausraubten und anschließend die eintreffenden Kunden als Geiseln nahmen. Sie wurden ihrer Wertsachen beraubt und um ihnen die Zeit bis zu ihrer Freilassung zu verkürzen, sangen die Bankräuber ihnen drei Stunden lang Lieder vor. Nach Auskunft der Geiseln handelte es sich dabei um Kirchenlieder ... nachzulesen in: Klaus Schönberger (Hg.): Va Banque. Bankraub.Theorie.Praxis.Geschichte.
Herzlichst
Dein / Ihr mc orgelmüller
PS. Die meisten Songs sind über Napster aus dem Internet zu laden.
Nr. InterpretIn Titel Länge
1. Out of sight Anfangsdialog (0.58)
2. Timbuk3 Bank Robber (6.04)
3. Georgie Fame The ballad of Bonnie & Clyde (3.17)
4. Boney M. Ma Baker (4.05)
5. Ths Clash Bank Robber (4.32)
6. MC Face Bank Robbery (2.03)
7. Serge Gainsbourg/Brigitte Bardot Bonnie & Clyde (4.13)
8. Fred Buscaglione Le Rififi (3.05)
9. Joe Dassin La bande à Bonnot (2.52)
10. Bernie Lee & Tricky Product of the environment (7.13)
11. Enzo Jannacci Faceva il palo (3.57)
12. Calavera Pa robar un banco( 4.00)
13. Joan Armatrading Opportunity (3.25)
14. Merle Haggard The Legend of Bonnie and Clyde (2.06)
15. Size 14 Let's go rob a bank (3.14)
16. Schröder Banküberfall (2.00)
17. Peter and the Test Tube Babes Rob a bank (2.38)
18. Sex Pistols/Ronnie Biggs No one is innocent (3.03)