ECKART KLAUS ROLOFF
Kann es sein, dass der Bankraub in diesen Tagen Hochsaison hat? Man ist ja kein Prophet, aber möglich wäre es. Wie ließe es sich sonst erklären, dass zurzeit manches Kreditinstitut die verehrliche Kundschaft bittet, die Geschäftsstelle möglichst unmaskiert zu betreten, weil auf böse Absicht geschlossen werden müsste? Der Beispiele sind genug aktenkundig, wie die "Kölnische Rundschau" am 12.2.2000, die "Mittelbayerische Zeitung" am nämlichen Tag und andere Weltblätter früher oder später unter Hinweis auf karnevaleske Täter meldeten.
Für die Trachtenkunde des Bankraubs sind dies Routinebeispiele, doch sie zeigen, wie nützlich solch eine althergebrachte Disziplin im Zeitalter der Videoüberwachung ist und welch unterschiedliche Sujets sie ihr Eigen nennt, darunter Motorradhauben, Sturzhelme, Sonnenbrillen, Nylonstrümpfe, Pudelmützen, Taschentücher und Perücken.
Da dergleichen Tarnkappen beispielsweise in der Fortbildungsakademie der Polizei in Freiburg im Breisgau systematisch gesammelt werden, steht eines fest: Die Ingredienzien des
Bankraubs an sich sind Bildungsgut, zumal einige von ihnen intelligent zum Einsatz gebracht werden können und der gute Raub jegliche Gewalt meidet. Schon deshalb hat ein Buch, das sich
systematisch mit dem Bankraub im Wandel der Zeiten befasst, jedes Recht, als Sachbuch rezensiert zu werden.
In diesem Fall aber haben wir es mit einer Pflicht zu tun. Was der
Kulturwissenschaftler und Historiker Klaus Schönberger aus dem
Schillerstädtchen Marbach (sein Geständnis: "Für dieses Buch konnte ich
keine Sponsoren in der Finanzwelt finden") unter dem ergreifenden Titel
"Vabanque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte" dem Markt zugänglich
gemacht hat, lässt sich kaum genug bestaunen. Es muss empfohlen
werden.
Wir haben es hier mit einem so vortrefflich durchkomponierten Buch zu
tun, dass sich die Parallele zum durchgetüftelten Bankraub in der
Dimension des "Robbery in history" aufdrängt. Schönberger und seinen
nicht weniger als 38 Mitarbeitern differierenden Geschlechts ist hier
ein Opus gelungen, das deviantes Verhalten zu würdigen weiß und
die gar nicht sehr heimliche Popularität einer Straftat didaktisch gekonnt
auffächert. Hier haben in Sonntagsreden so oft geforderte Querdenker
zueinander gefunden und ein weites Feld ordentlich beackert.
Dem Buch und seiner Entwicklung zum Kassenschlager widerfährt am
ehesten Gerechtigkeit, indem dessen Multidisziplinarität wenigstens
angedeutet wird. Die Kapitel zum auf Dauer, vorübergehend oder
versuchsweise entwendeten Kapital behandeln den Bankraub "von den
schwierigen Anfängen bis zur Blüte des Delikts", sie legen die populären
Träumereien zwischen Geldüberfall und Lottogewinn frei, würdigen den
Wert der Öffentlichkeitsarbeit beim englischen Postraub ebenso wie den eher
heimischen, weil pfälzischen Mythos der Kimmel-Bande und vergessen
nicht die protzige Architektur von Bankgebäuden.
Der Leser kombiniert: Das sind packende Themen - doch es sind nur
fünf der insgesamt 25, die in diesem Kompendium endlich einmal akribisch
aufgearbeitet werden. Es geht weiter mit der (unbefriedigenden) Rolle
der Frau beim Einsatz vor Ort, mit dem Bankraub im Wilden Westen und im
nahen Osten (Frage: Gab es in der DDR wirklich kaum Zugriffe auf
verführerische Fremdwährungen?) und mit einem Thema, das uns von
Kindesbeinen an den Bruch so begehrenswert gemacht hat: mit den
Panzerknackern aus Walt Disneys Entenhausen. Selbstverständlich haben die
meist brav examinierten Akademiker, die bei diesem Buch Schmiere standen
und sogar ihre Geldinstituts-Usancen offenbaren, auch die Würdigung
des Bankraubs in Film und Roman nicht versäumt.
Was ist die Entschlüsselung eines Tresors gegen die Entschlüsselung
eines Genoms?, möchte man in kaum verhüllter Analogie zu einem
bekannten Passwort Brechts fragen. In diesem Sinn sind die
Seitenangaben des Buches den Zahlenschlössern an Stresskoffern
nachempfunden, und deshalb entfalten die vielen eingestreuten Episoden
und Pressenotizen beim Ringen zwischen Geld und Genen eine wohltuende
Realität gegen vage Visionen.
Das ganze Buch ist glänzend durchdacht und grafisch geglückt. Mit
einem Wort: Es gehört in die Hand aller, auf welcher Seite des Schalters
sie auch immer stehen.
Vabanque. Bankraub. Theorie, Praxis, Geschichte.
Verlag Libertäre Assoziation,Hamburg 2000. 325 Seiten, 34 DM.
Aus: Rheinischer Merkur 8, 23.02. 2001