Hätten Sie es gewusst? Wie lange es dauert, eine 40 Zentimeter dicke Wand aus speziell gehärtetem Beton zu durchbrechen? Solche Fragen kann man spätestens dann kompetent beantworten, wenn man "Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte." gelesen hat. Was allerdings als praktische Anleitung missverstanden werden könnte, ist eine Ansammlung von essayistischen, journalistischen und wissenschaftlichen Aufsätzen, Porträts und Geschichten. 35 Autoren und Autorinnen beschäftigen sich in gut recherchierten Beiträgen aus den verschiedensten Blickwinkeln mit dem Thema Bankraub. Einem Delikt, das wie kein anderes auf die Sympathie der Bevölkerung stößt. Das behauptet zumindest der Herausgeber Klaus Schönberger, der am Freitag Abend auf Einladung des Saarbrücker "Buchladens" im SOS-Ausbildungs-und Beschäftigungszentrum die laut "Aspekte" (ZDF) "skurrilste Neuerscheinung" der diesjährigen Buchmesse vorstellte. Und das sozusagen im medialen Rundumschlag - mit Texten, Quiz, Musik und Film.
"Haben sie denn keine Probleme mit ihrem Bank-Konto?". So beantworte er stets die Frage nach der Idee zu diesem Buch, fegt der Tübinger Kulturwissenschaftler moralische Einwände beiseite. Und beruhigt erstmal: "Ihre Stadt ist heute sicher. Alle potenziellen Bankräuber sind hier versammelt." So sehen doch keine Verbrecher aus, überlegt man sich - und wird just eines Besseren belehrt. "Zwei Drittel aller Banküberfälle werden von Amateuren verübt", verkündet eine Dokumentation. Die ist eingebettet in die Zusammenstellung von Filmschnipseln zum Thema. "No one is innocent" prangt als Titel über dieser Collage. Schulden, teure Wünsche, keine Lust aufs Fließband sind es, die die Täter zu den Tresoren treiben, erfährt man da.
Doch es gibt auch die politisch motivierten Überfälle, klärt Schönberger auf. Im Sinne einer Umverteilung von Kapital wie beim Italiener Sante Notarnicola, der mit seiner Beute unter anderem den algerischen Befreiungskrieg unterstützen wollte. Oder zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes der Bewegung "2. Juni". Mal lustig, mal eher ernst präsentiert der Herausgeber Ausschnitte des in "Va Banque!" versammelten Wissens über raubende Bankladies, die Stilisierung in den Medien, notwendige handwerkliche Perfektion.
Zwischendurch trägt SR-Mitarbeiter Steffen Kolodziej mit unverhohlener Ironie Episoden aus dem Buch vor. Wie die vom versuchten Abriss eines Geldautomaten, bei dem 1999 die gesamte Straßenbahn in Halberstadt lahmgelegt wurde. Schlecht, wenn man die Oberleitungen umnietet. Der Vollständigkeit halber darf schließlich auch ein Ausflug in die Tradition des Bankraubs in der Popmusik nicht fehlen. Der darin endet, dass die heiter versammelte Zuschauerschar, koordiniert von "MC Orgelmüller", im Chor "Bank Robber, that is my vocation" singt. Zur Tat animieren zu wollen, weist Schönberger von sich. Logischerweise. Aber, so konstatiert er abschließend: "Solange es die kapitalistische Produktionsgesellschaft gibt, solange wird es Bankräuber geben". "Va Banque!" jedenfalls beobachte dieses Phänomen mit "fröhlicher Indifferenz und distanzierter Solidarität." Und mit dem Wunsch, das Niveau in Praxis und Theorie zu heben.
Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte. Verlag Libertäre Assoziation, 330 Seiten, 34 Mark. Leseproben und mehr zum Thema Bankraub auf der Homepage "www.niatu.net/bankraub".
JULIANE JACOB
(aus: Saarbrücker Zeitung, 4.12.2000)