"Dann knacke ich halt' ne Bank"

Wiesbaden (tag). Wirklich nicht einfach, berühmt zu werden: Manche versuchen's beim Film, andere aber verüben einen Banküberfall. Und wer sich dabei am besten in Szene setzt, der steigt dann vielleicht in den Verbrecherolymp auf, wo Bonnie und Clyde schon längst warten. Doch warum genießen Bankräuber unter allen Kriminellen das höchste Ansehen?

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Der nächste Coup

Das Leben ist kein Comic: Während die depperten, pummligen Panzerknacker aus Disneys Feder von allen nur verlacht werden, genießen die echten Bankräuber allenthalben hohes Ansehen. Doch ist der Bankraub wirklich nur ein Kavaliersdelikt?

Draußen, vor der kleinen Bankfiliale, sitzt er im gestohlenen Wagen, der finstre Kumpel mit dem hochgeschlagenen Kragen, dessen Zigarette und Nervenkostüm bereits glimmt. Ruhig ist es. Derweil ist sein Kompagnon schon auf dem Weg" schaut sich nochmals um, wartet ab, bis auch der letzte Kunde das Gebäude verlässt. Mittagszeit, irgendwo in der Provinz. Es geht los. Der Mann schreitet schnurstracks zum Schalter, zieht dabei den Nylonstrumpf von der Liebsten über die Föhnwelle, während der nichts ahnenden Kassiererin das gewohnte Lächeln gefriert. Jetzt geht alles schnell: das Rumgefuchtele mit der Wumme, das Vollstopfen der Plastiktüte. Cool bleiben. Bis zum nächsten Coup. Und vielleicht beginnt nun endlich das neue Leben.

So ähnlich unwirklich stellt man sich das ja vor, den Bankraub, eine absurde, gleichsam romantische Vorstellung. Und manche träumen nicht nur vom vermeintlich einfachen Verbrechen: ln der Bundesrepublik gab es 1999 1.323 Fälle von Bank- und Postraubdelikten, die Mehrzahl davon in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern. In jedem dritten Fall entkommen die Täter. Die, die es schaffen, werden nicht selten seitens der Presse und der Bevölkerung bewundert – die letzten Verbrecher, die auch Helden sein dürfen.

Allerdings war es in letzter Zeit nicht mehr allzu attraktiv, sich das Geld auf diese Weise zu beschaffen, was die stetige Abnahme der Bankraubversuche pro Jahr belegt. Eine Ursache dafür mag der Computerbetrug sein. Wer als Hacker an Passwörter herankommt – Social engineering nennt sich das, wenn Angestellte eines Unternehmens ungewollt geheime Daten ausplaudern –, kann leicht Finanztransaktionen zu seinen Gunsten vornehmen. Der Internetrechtsexperte David Rosenthal von der Universität Basel nennt als typische Situation: "Einer ruft in einer Firma an, sagt, er sei von der EDV-Abteilung, und erhält das Passwort eines arglosen Mitarbeiters." So einfach ist das. Rosenthal: "Social engineering ist überaus wirkungsvoll, weil es eben ein schwaches Element im System ausnutzt: den Menschen." Erst fragen, dann hacken. Der Rest ist Spurenverwischerei, perfekte Handhabe des Betriebssystems und der Programmiersprachen wie Unix oder C.

Ein weiteres Argument gegen den traditionellen Bankraub ist die Höhe der erbeuteten Summe: Nach Angaben des Bundeskriminalamts in Wiesbaden wurden letztes Jahr bei Bankund Postraubdelikten im Schnitt knapp 50.000 Mark geraubt – kein wirklich überzeugender Betrag für einen sorgenfreien Vorruhestand in der Karibik. Bei den Computerdelikten gehe es hingegen, so vermutet Rosenthal, jedes Mal um Millionen. Verlässliche Informationen gibt es kaum, die Schätzungen der Experten erklimmen bisweilen astronomische Höhen. Der Grund: Oft können Bankinstitute erst nach einer Betriebsprüfung den Betrug bemerken. oder dann, wenn ein verzweifelter Kunde die Kontoauszüge nicht mehr versteht.

Aber bedeutet das, der Bankräuber vor morgen werde ein virtueller sein, einer, der mit Kaffeetasse, Telefon und Laptop seinen Job erledigt? Stirbt der Mythos vom mutigen, leibhaftigen Bankräuber? "Solange Geld irgendwo in größerer Menge greifbar ist", so David Rosenthal, "wird es wohl immer Leute geben, die es darauf abgesehen haben." Auf die herkömmliche Tour: Ungeachtet dessen, dass sich die Realität viel bescheidener, zuweilen ärmlicher da stellt. Beim letztjährigen Überfall auf eine Göppinger Kreissparkasse verlangt ein bewaffneter, vorbestrafter Mann genau zehn Mark (!) von der Angestellten. In der späteren Vernehmung wird der 58-Jährige angeben, dass er hungrig gewesen sei und sich gewünscht habe, wieder ins Gefängnis zurückzukehren, wo er früher einmal gute Betreuung erfahren hätte. Traurig. Die meisten sind Ersttäter, deren Motive stark variieren: Schulden, Arbeitslosigkeit, Neugierde, Geltungssucht. Dennoch bleiben die Handtaschenräuber, Drogenhändler oder Vergewaltiger geächtete Verbrecher, während der Bankräuber mit einem merkwürdigen Bonus seine kriminelle Energie ausleben darf, als wäre er der moderne Robin Hood. Der Denkfehler dabei ist, dass der Strampelhosen tragende Brite das Geld den Armen gab und nicht in die eigene Tasche stahl. Zu schweigen von der Brutalität, die viele Überfälle auf Banken kennzeichnet.

Bonnie Parker und Clyde Barrow wären da wohl zu nennen: Das medienwirksame Gangster und Liebespärchen der 30er, das nach einer kurzen, intensiven, zuletzt tödlich endenden Laufbahn etliche Raubzüge und Einbrüche vorweisen konnte. Dass zwölf Menschen durch die skrupellose Gang zu Tode kamen, ließ ihren Heiligenschein nicht minder hell leuchten. Oder die Kimmel-Bande aus der Pfalz: Richtige Panzerknacker waren das, eine Hand voll Halbstarker um den jungen Tuchweber Bernhard Kimmel, die bei ihrem ersten Coup Ende der 50er den ersten Safe noch mit der Schubkarre wegtransportieren und in einem Schrebergarten verbuddeln. Sie alle, so kultverdächtig sie auch scheinen mögen, erfüllen aus juristischer Sicht schlicht den Tatbestand der räuberischen Erpressung. Aber je spektakulärer der Raub vollzogen wird, je bedeutender die erbeutete Barschaft, desto größer die Pub1icity. Wenn dann noch die Verpackung stimmt – Affen- oder Schweinsmasken, Perücken à la Afrolook oder Rex Gildo, falsche Bärte und Augenbrauen, riesige Sonnenbrillen, die klassischen Motorradhelmunterzieher gehören zur Standarduniform – ist die Boulevardpresse bestens bedient.

An die Opfer denkt da selten jemand: an die Ängste, das Trauma nach einer solchen existenziellen Bedrohung. Nur solange man sich nie als Geisel in der angestammten Filiale wiederfindet, neigt man zur Verharmlosung. Möglicherweise deshalb, weil jeder schon mal klammheimlich darüber nachgedacht hat, wie man auf die elegante Weise mit einem Paukenschlag reich werden kann: als Erbe der plötzlich verstorbenen Großtante, als Gussi Gans beim Lotto oder, na klar, in der Rolle des lässigen Bankräubers. Stimmt?s?

Tomo Pavlovic

INFO

Zum Thema ist jüngst erschienen: Vabanque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte. Herausgegeben von Klaus Schönberger. 325 Seiten, 34 Mark, Verlag Libertäre Assoziation.

(aus: Sonntag aktuell, 05.11.2000)