Klaus Schönberger hat ein feines Buch zusammengestellt: »Va Banque«, gegen die Bank, heißt es und versammelt zahlreiche Beiträge zur Theorie, Praxis und Geschichte des Bankraubs. Es lohnt sich, das Kompendium erst mal nicht allzu ernst zu nehmen und sich locker durch das Buch zu zappen. Die Aufmachung lädt dazu ein: die Texte sind so gesetzt, dass immer Platz bleibt für Ausschweifungen in Fussnoten oder kleineren Porträts legendärer BankräuberInnen. Das ist ein bisschen unübersichtlich, verführt aber zu einem genussvollen Herumschmökern? wann hat man schon mal das Vergnügen, in linken Textsammlungen herumschmökern zu können! Die Texte bekräftigen das nur: Da geht es um Stalin, der in jungen Jahren, immer schön die Kaderpartei im Gemüt!, individualistischen Terror beging und, tja, Banken ausraubte. Darum, wie entscheidend und (im wahrsten Sinne des Wortes) beschleunigend die Erfindung des Automobils für den »erpresserischen Raub« (Justizjargon) war. Oder um den 70er Banküberfall mit Geiselnahme in der Münchener Prinzregentenstraße, der sich erst zu einem Volksfest (sozusagen: sympathy for the devil) auswuchs, dann in einem völlig überflüssigen Massaker der Polizei endete und schließlich in diversen kommunistischen Zirkeln auf seine linke Substanz hin befragt wurde.
Diese andere Perspektive, die sich nie mit der Staatsgewalt gemein macht, die TäterInnen ebenso wenig glorifiziert (aber doch offen und unverkrampft Sympathie bekundet, jedenfalls da, wo die TäterInnen keine 100%igen Arschlöcher sind), zieht sich durch den ganzen Band. Das ist das eine ? das andere aber ist, dass das Buch eigentlich ein melancholisches ist. Denn der unverschämte Traum vom schnellen Geld, von der individuellen Lösung der Beschäftigungskrise ist ausgeträumt. Zwar schreibt Klaus Schönberger trotzig im Vorwort: »Solange es die kapitalistische Produktionsweise gibt und alles Glück in der Maßeinheit Geld gemessen wird, wird es Banküberfälle und Bankräuber geben.« Wird wohl auf einer abstrakten Ebene stimmen. Aber der Kapitalismus bleibt ja nicht mit sich identisch. Und die Zeit des Bürgertums, die von ihren eigenen Gründungsverbrechen noch wusste und in der BankräuberInnen fast schon automatisch zu VolksheldInnen wurden, ist vorbei. In der heutigen Kontrollgesellschaft, in der Mobilität kein Privileg mehr ist (das Fluchtauto also im Stau stecken bleibt) und jedes Volksheldentum durch Medialisierung um seine Authentizität gebracht ist, hat der Individualanarchist wenig Chancen. Das belegen die Beiträge des Buches selber am besten.
Trotzdem ist »Va Banque« ein cleverer Schachzug, der auf die derzeitige Verfasstheit der politischen Ökonomie verweist. Da, wo es keine Gegenmacht, ArbeiterInnenklasse (wie immer man es auch nennen will) gibt, die den Kapitalismus in seine Schranken weist, lassen sich die Widersprüche und Sehnsüchte der Gesellschaft an genau den Bruchstellen ablesen, die auftreten, wenn »im geordneten Elend der Verhältnisse« (Markus Mohr in seinem Beitrag) wie ein Blitz der Bankraub eintritt. Diesen Blitz, in all seiner Vergänglichkeit und Ambivalenz festgehalten zu haben, ist das Verdienst des Buches.
Felix Klopotek
Klaus Schönberger (Hg.), »Va Banque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte.«, 325 S., VLA, Schwarze Risse, Rote Straße, Hamburg 2000, 34 DM.
(aus: SPEX 11/2000)