Rubrik: DAS AKTUELLE BUCH

Was an den Negativ-"Helden" fasziniert

Tell the papers I don't smoke cigars. I smoke cigarettes", ließ Bonnie Parker wenige Wochen vor ihrem Tod der Welt durch einen von ihr selbst gekidnappten US-Sheriff ausrichten, um ein falsches Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hatte, zu korrigieren.

Bonnie Parker und Clyde Barrow wurden in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu einem der berühmtesten Gangsterpärchen aller Zeiten - nicht zuletzt, weil "Bonnie und Clyde" sich regen öffentlichen Interesses erfreuten. Im oben erwähnten Fall war ein Foto von Bonnie, das sie mit einer Zigarre im Mund zeigt, in die Hände der Polizei geraten. Als das Foto durch die Medien ging, stiegen die Zeitungsauflagen, denn "bei keinem anderen Delikt können die Täter auf so viel Sympathie hoffen wie bei einem Bankraub", schreibt Klaus Schönberger, der Herausgeber des Sammelbandes über Bankraub.

"Wie Lottogewinne" seien Banküberfälle "eine kollektive gesellschaftliche Fantasie, die ihren Ausgang in den sozialen Konsequenzen der bürgerlichen Eigentumsordnung und der kapitalistischen Produktionsweise nimmt (. . .) ein Ausdruck des Wunsches, die gröbsten Folgen der daraus resultierenden Sozialordnung individuell zu korrigieren." Und im Sinne individueller Verantwortung wollen die Autoren auch nicht zu Banküberfällen anleiten.

Va banque beleuchtet Überfälle auf Geldinstitute, Geldtransporter, Postzüge, Postfilialen, staatliche Zahlstellen und Einbrüche in Tresore auf sachliche, angenehm unsentimentale Weise: Die Beiträge sind von der fröhlichen Indifferenz geprägt, die einem Bankraub mit Stil durchaus etwas abzugewinnen vermag. Wildwest-Nostalgie liefern höchstens die Fotos, etwa der von Mythen umwobenen Figuren wie Jesse James oder von Adam Worth, den man den "Napoleon der Unterwelt" nannte.

Eva Stanzl

Klaus Schönberger (Hg.): Va banque - Bankraub: Theorie. Praxis. Geschichte.
öS 238,- (EURO 17,30)/ 324 Seiten. Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 2000

aus: © DER STANDARD, 31. Okt/1. Nov. 2000