Bankraub ist ein gesellschaftliches Phänomen. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich , dass sich die Wissenschaft dieses Themas annimmt.
Klaus Schönberger, empirischer KuIturwissenschaftler an der Universität Tübingen und ausgewiesener Fachmann in Sachen Bankraub, hat der "Studiobühne" der hiesigen Universität aus seinem neuen Buch gelesen. Infokneipe und KulturReferat des ASTA haben die Lesung mit Musik und Filmausschnitten organisiert.
"Va Banque! Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte", so der Titel des Sammelbandes, ist natürlich weit mehr; a1s ein trockenes, wissenschaftlihesWerk. Die 35 Autorinnen und Autoren untersuchen das Thema von allen erdenklichen Seiten: von der Erfindung des Bankraubs über die Theorie und eine kleine Trachtenkunde bis hin zum passenden Fluchtmittel. Die Verarbeitung des Themas in Literatur und Kino wird ebenso beleuchtet, wie die großen, bekannten und unbekannten Bankräuberinnen und Bankräuber.
Tatsächlich gibt es auch einige wenige Frauen in dieser Männerdomäne, wissenschaftlich genau: 4,8 Prozent. Diese werden dann von den Medien zur "Banklady" und "feschen Heldin" stilisiert: Bankraub als sexueller Akt. Heldinnen, die sich gleich doppelt nicht an die Spielregeln halten, weder an Gesetze noch an ihre Frauenrolle, werden so stracks wieder auf ihre Geschlechterrolle zurückgeworfen.
Es hat sich schon sehr früh gezeigt, daß ein Bankraub mit Stil das breite Publikum begeistert. "Das Abenteuer der bürgerlichen Gesellschaft ist das Verbrechen", so Klaus Schönberger, und wenn es sich gegen eine "abstrakte Institution wie eine Bank richtet, dazu noch handwerklich gut gemacht sei, erfreue es sich großer Sympathie.
Denn auf der Bank lagert das, woran es den meisten Menschen fehlt: Geld im Überfluss. Unter den Bankräubern finden sich folgerichtig nicht nur die klassischen Ganoven, sondern auch rechtschaffene Bürger.
Das eigene Wissen zum Thema Bankraub kann mit "Va Banque!" auf jeden Fall gehoben werden, das zeigte der Autor seinen interessierten Zuhörern mit einem Quiz. Vor der Lesung galt es, 15 Fragen zu beantworten. Der Gewinner erhielt eine CD mit Musik rund ums Thema. Die volle Punktzahl erreichte allerdings keiner. Wer weiß beispielsweise schon, von wem der denkwürdige Satz stammt: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank"?
Klaus Schönbergers Fazit zum Thema lautet: "Solange alles Glück in der Maßeinheit Geld gemessen wird, wird es Banküberfälle und Bankräuber geben. Das kann niemand verhindern." Doch sein Anliegen als Kulturwissenschaftler ist es, das "Niveau in Theorie und Praxis zu heben". Der bankenkritische Satz aus dern Quiz stammt übrigens von Bert Brecht.
MARTINA KELLER-ULLRICH
Aus: Südkurier, 8.12.2000