No one is innocent

Über Banküberfälle und Bankräuber

Die Galerie "Peripherie" im Tübinger Sudhaus war voll besetzt, als am Samstagabend Klaus Schönberger, der Herausgeber des Buches "Va Banque", mit Lesehäppchen, Filmbeispielen und Musikalischem zur Präsentation einlud.

"Auckland. Ein Bankräuber verschenkt nach seinem großen Coup 500-Dollar-Scheine an Arme. Der Richter ordnet daraufhin die psychologische Untersuchung des Täters an. Nachträglich bringen einige beschenkte Passanten ihre Beute zurück. Wer einer psychologischen Untersuchung bedarf, bleibt fraglich". Solche Sequenzen aus dem neuen Buch, von Martin Jung vorgetragen, die einen staunen lassen und zum Lachen bringen, begleiten den Abend. Auch wenn sich das vielleicht einige Besucher erhofft hatten, Tipps zum Bankraub gebe er nicht, betont der Herausgeber Klaus Schönberger. "Ich stehe dem Thema indifferent gegenüber".

Auf der Bühne ein Samtsofa. Darüber prangt das Symbol "Notausgang" als Projektion an der Wand. Der kleine Unterschied: Die rettende Türe stellt hier ein Tresor dar. Ist der Bankraub also die Lösung aus allen Notsituationen. Was bringt die Menschen dazu, eine Bank zu überfallen? Und was sind das für Menschen7 Dazu stellt Schönberger seinem Publikum die Gegenfrage: "Haben Sie keine Probleme mit ihrem Bankkonto?" Er sieht den Bankraub als "Alternative zum Lotto, um denen da oben ein Schnippchen zu schlagen". Sein Ergebnis: "Den typischen Bankräuber gibt es nicht, weil es jeder von uns sein kann."

"No one is innocent", heißt deshalb auch die gleichnamige Filmcollage, die "eine Reise in die faszinierende Welt des Bankraubs" darstellen soll. Räuber und Räuberinnen unterschiedlichster Couleur präsentieren sich mit verschiedensten Methoden und Werkzeugen. Letztendlich bleiben aber nur zwei Möglichkeiten als Schluss: Der Tresor ist gefüllt oder leer.

Anschließend lädt Schönberger Autoren und Autorinnen von "Va Banque" zum Gespräch auf das Samtsofa. Die Kulturwissenschaftlerin Andrea Hoffmann beschäftigte sich mit der Heroisierung des Bankraubs im Western. Sie berichtet, dass es die Daltons aus Lucky Luke wirklich gab und dass sie Jesse James, den führenden Bankräuber in den USA im 19. Jahrhundert, mit zwei Banküberfällen an einem Tag schlagen wollten. Dazu suchten sich die Dalton-Brüder allerdings einen Ort aus, wo sie wohlbekannt waren. Bei dem Coup wurden alle bis auf den längsten Dalton-Bruder erschossen, und ihr Überfall ging als blödester Bankraub in die Geschichte ein.

Der zweite Autor Klaus-Peter Eichele schrieb in "Va Banque" über die Typologie des Kinobankraubs und verrät: "Bankräuber als Helden sind passe." Ralph Winkle setzte sich in seinem Beitrag mit dem Thema systemtheoretisch auseinander. Er kam zu dem Ergebnis, dass jeder Raub organisiert sein will. "Es gibt den perfekten Bankräuber nicht. Der schwierigste Augenblick ist, wenn das Geld auf dem Tisch liegt und das Vertrauen der Beteiligten untereinander zu schwinden beginnt." Den musikalischen Ausklang gestaltete MC Orgelmüller. Er stellte dabei "Melodien für Millionen" vor, ein Querschnitt aller Bankrobber-Songs von John Lee Hooker bis zu den Sex Pistols. Am Ende sang dann auch das ganze Publikum mit: "Bankrobber, that's my occupation, bankrobber that is my vocation. It's a cold and lonely job, but I love the compensation."

Simone Haug (Schwäbisches Tagblatt, 9.10. 2000)