Zürich im Herbst


Die Hamburger Filmemacherin Margit Czenki
wurde in der Schweiz verhaftet

Im April 1971 überfiel Margit Czenki zusammen
mit Rolf Heißler, Roland Otto und Karl-Heinz
Roth die Münchner Hypotheken- und
Wechselbank. Die Aktion war aus einer
"undogmatisch linksradikalen" Gruppe heraus
geplant und durchgeführt worden. An der Spitze
stand, für damals unerhört, eine junge Frau: Das
Etikett der"Banklady der Revolution" sollte
Czenki so schnell nicht wieder loswerden.

Verletzt wurde damals niemand, ein zufällig
anwesender Kriminalpolizist vermasselte den
vieren die Tour sogar gründlich. Otto und Roth
wurden sofort festgenommen, Czenki und Heißler
zwei Monate später. Czenki saß ihre Zeit im
Gefängnis ab und verzichtete darauf, sich
ausfliegen lassen, als die Bewegung 2. Juni durch
die Lorenz-Entführung die Freilassung einer
Reihe von Gefangenen erzwang. Nach der
Beendigung ihrer Haftstrafe 1975 diente ihre
Lebensgeschichte Margarethe von Trotta als lose
Vorlage für ihre Protagonistin in "Das zweite
Erwachen der Christa Klages"; die Erfahrung der
Inhaftierung verarbeitete Czenki später in ihrem
eigenen Spielfilm "Komplizinnen" (1987). Zwei
weitere Spielfilme und unzählige Videoarbeiten
folgten, auch vom politischen Engagement wollte
sie nicht lassen: Czenki arbeitete in linken
Buchladenprojekten, beim Münchner Blatt und
engagierte unter anderem für die Freilassung von
Irmgard Möller und der letzten sechs
RAF-Gefangenen.

Nicht schlecht gestaunt haben dürfte die Grande
Dame der Hamburger Poplinken, als Beamte der
Züricher Kriminalpolizei sie am
Mittwochmorgen Schlag sechs in ihrem Zimmer
im Hotel "Marthahaus" verhafteten. Die
Filmemacherin war in die Schweiz gereist, um
ihren urbanistischen Filmessay "Park Fiction"
während der "b-site the city"-Reihe auf dem
Bahnarsenal in Basel vorzustellen und um mit
Kunststudenten über Projekte im öffentlichen
Raum zu diskutieren. Den Beamten selbst war
die Verhaftung eher peinlich, so Czenki gestern
morgen gegenüber der taz: Sie handelten auf
Weisung der Bundesbehörde für
Ausländerfragen. Die hatte sich nämlich erinnert,
dass Czenki 1976 zur "unerwünschten
Ausländerin" erklärt worden war. Zwei
Jahrezehnte konnte Czenki nur mit teurer
Sondergenehmigung in die Schweiz einreisen.
1996 reiste Czenki dann für ein internationales
Symposium zur Geschichte der Stadtguerilla ganz
normal ein, weil die Auflagen der 70er-Jahre
pauschal für alle Teilnehmer außer Kraft gesetzt
worden waren - glaubte die Regisseurin und kam
danach immer wieder ohne Antrag.

Nun scheint jemand in den Schweizer
Migrationsbehörden festgestellt zu haben, dass
Czenkis Name in den Unterlagen von 1996
mysteriöserweise fehlte: Sie sei also "illegal
eingereist". Aufgrund massiver Proteste von
Seiten der Schweizer Kulturszene und Presse
wurde die Filmemacherin am Dienstagabend
vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt und gestern
vormittag dem Untersuchungsrichter vorgeführt.
Der gestattete ihr die Teilnahme an weiteren
Veranstaltungen und die heutige Ausreise - ihm
selbst war von den Bundesbehörden die
Akteneinsicht verweigert worden. Die
Unerwünschtheits-Verfügung gegenüber Czenki
gilt weiterhin und unbefristet. Der Prozessbeginn
wird in den nächsten Wochen erwartet. TOBIAS
NAGL