Wirtschaft

Das Wirtschaftsbuch - «Va banque» oder Die nicht ganz klammheimliche Sympathie in allen Gesellschaftsschichten mit den Schalterhallenganoven

Der Bürgertraum vom Bankraub

Mal ehrlich: Haben Sie nicht schon mal an Bankraub gedacht? - Lottogewinn: keine Chance. Einbruch: verträgt sich nicht mit Ihrer Moralvorstellung. Aber Bankraub? Reingehen, Geld abholen, abhauen. Trifft ja keinen Armen und ist höchstens ein Fall für die Versicherung.

In seinem Buch «Va banque» hat der Herausgeber Klaus Schönberger kulturwissenschaftliche, kriminologische, historisch-kritische, literatur- und sozialwissenschaftliche sowie autobiografische Ausflüge in die faszinierende Welt des Bankraubs aus dem vergangenen und aus diesem Jahrhundert zusammengestellt. Dillinger, Bonnie & Clyde, Gebrüder Sass, Patty Hearst, der englische Postraub und andere. Von Amerika über Deutschland (Ost und West) bis hin zu England und Italien. Und nicht zu vergessen: die Schweiz. Wo die Verbrecher für viel Schadenfreude sorgten, als sie 1997 aus der Fraumünsterpost 55 Millionen Franken mitnahmen, aber 17 Millionen der Post zurückliessen, weil sie ihre Transportkapazität überschäitzt hatten. (Der weitere Dienst der Schalterbeamten in der Fraumünsterpost soll kein Zuckerschlecken gewesen sein. «Guten Tag. Ich will die restlichen 17 Millionen abholen ...» und andere Scherze der Postkunden sollen nach Meinung der Betroffenen die «Grenzen des guten Geschmacks» sehr strapaziert haben.) Überhaupt scheint die Schaidenfreude beim Publikum zu überwiegen «Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?» (Brecht) -, denn schliesslich bleibt bei einem Bankraub das einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Geld erhalten - weil es wieder in den Geldkreislauf zurückfliesst. Sogar schneller, weil ein Bankräuber es schwuppdiwupp wieder ausgibt und es vermutlich nicht einem Sparkonto anvertraut.

Zahlreiche Beiträge in diesem Buch sind von einer heiteren Indifferenz inspiriert, insbesondere die Delikte der vorindustriellen Zeit werden von den Autoren und vom zeitgenössischen Publikum als Wiederherstellung der Ordnung eingeschätzt, von der zumindest Teile als ungerecht erschienen. Daher rührt auch der Ruf des Delinquenten, ein Sozialrebell zu sein. Hinzu kam die handwerklich geprägte Erwerbsform, die auch eine gewisse Intellektualität voraussetzte. Dies betraf vor allem die I.ogistik, die Durchführung der Tat und die Legalisierung der Beute. Wird allerdings der Bankräuber überführt, sich dämlich verhalten zu haben, so ist er damals wie heute dem öffentlichen Spott preisgegeben. Man denke an die Leute, die nach dem Bankraub direkt vom 2 CV auf einen Maserati umsteigen oder alle Welt im Puff freihalten.

Heute muss man befürchten, dass im Zuge des elektronischen Zahlungsverkehrs ein Bankraub sich nicht mehr 1ohnt, aber: Was tritt an seine Stelle? Bisher jedenfalls konnte und kann sich der gut durchgeführte Bankraub einer breiten und nicht gerade klammheimlichen Sympathie in allen Gesellschaftsschichten erfreuen. Von den gut situierten Bürgern und Bürgerinnen, die zu goutieren wissen, dass das letzte grosse Abenteuer der bürgerlichen Gesellschaft der Bankraub ist; von Unentschlossenen, die bisher zwischen Lottospielen und Bankraub schwankten; von geläuterten Alt-68er(inne)n, die sich ob ihrer Erbschaften grämen, aber den Weg ins Existenzgründerseminar noch scheuen, bis hin zu meiner 80-jährigen Concierge, die bettelnden Punks («Hassu ma ne Maak») lapidar mitteilt: «Ihr seid doch jung und gesund - Ihr konnt doch mal 'ne Bank überfalln.»

Fanny Müller

«Va banque, Bankraub», Klaus Schönberger (Hrsg.). Verlag Libertäre Assoziation. 325 Seiten, Fr.30.-

(aus: Weltwoche Nr. 45/09.11.2000)