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Listige Bankräuber erfreuen sich einer erstaunlichen Popularität/ Von Peter F. N. Hörz
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Kriminelle Volkshelden?

Der Kühlschrank ist leer,/Das Sparschwein auch,/Ich habe seit Wochen kein Schnitzel mehr im Bauch./Der letzte Scheck ist weg,/Ich bin nicht liquid,/auf der Bank krieg ich sowieso keinen Kredit!/Gestern enterbt mich auch noch meine Mutter/Und vor der Tür steht der Exekutor. Mit einem Wort - die Lage ist fatal;/ da hilft nur eins:/Ein Banküberfall! Man mag die in Reime gegossene Logik der Ersten Allgemeinen Verunsicherung reduktionistisch finden, vielleicht sogar infantil und primitiv, im Kern jedoch lag die Blödl-Pop-Truppe völlig richtig.
Denn so oder so ähnlich wie die erste Strophe von Ba-Ba-Banküberfall beginnen meist all jene Handlungskonzepte, welche die handelnden Subjekte später in Tresorräume oder Schalterhallen führen.
Das Prinzip dieser Handlungskonzepte ist denkbar einfach, auch dann, wenn man es jenseits der satirischen Verzerrung betrachtet: Im Rahmen der herrschenden Gesellschaftsordnung bildet Geld den Ausgangspunkt des Wohllebens.

Geld, das sich auf verschiedene Weisen beschaffen lässt.
Der immer noch gängigste Weg der Geldbeschaffung besteht in der Integration des Individuums in den Wirtschaftsprozess als abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätiger.

Geld, das sich auf verschiedene Weisen beschaffen lässt.
Der immer noch gängigste Weg der Geldbeschaffung besteht in der Integration des Individuums in den Wirtschaftsprozess als abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätiger. Dieser weit verbreitete Weg zum Geld wird im Rahmen der bei uns herrschenden Gesellschaftsordnung grundsätzlich positiv bewertet.
Den Tresor ausräumen . . .
Scheidet diese Variante der Geldbeschaffung aus, dann müssen andere Formen des Erwerbs gefunden werden. Der Weg zum Banküberfall oder zum Bankraub ist damit nicht zwangsläufig vorgezeichnet, denn der Sozialstaat sieht eine Reihe von Hilfestellungen vor, die dem Individuum auch dann noch zum Überleben gereichen, wenn Erwerbsarbeit ausgeschlossen ist.
Allein, der gedankliche Schritt zum räuberischen Diebstahl, zum Überfall oder zur räuberischen Erpressung in Bezug auf Banken liegt nahe, denn dort gibt es in aller Regel zuhauf, was sonst stets knapp ist: Zehner, Zwanziger, Fünfziger, Hunderter, Tausender und Fünftausender. Und - Hand aufs Herz - wer hat nicht schon einmal davon geträumt, einen Tresor auszuräumen, all die schön gebündelten Scheine in große Billa-Sackerln zu packen und den Weg gen Süden anzutreten?
Einziges Problem dabei: Gefüllte Tresore sind in der Regel nicht frei zugänglich, der Weg dorthin ist umständlich und erfordert zahlreiche konzeptionelle Vorüberlegungen sowie die Lösung einer Vielzahl logistischer und technischer Probleme. Doch damit nicht genug: Nur der Traum vom Bankraub ist legal. Die praktische Umsetzung dagegen ist streng verboten!
Das Gesetz definiert den Bankraub als Unrecht und ahndet diesen mit empfindlichen Strafen - in aller Regel mit Freiheitsentzug. Weil aber die Definition einer Handlung als Unrecht und die Androhung einer Strafe noch längst nicht zwangsläufig zur Unterlassung dieser Handlung führt, spinnen private und öffentliche Instanzen rund um den Geldspeicher Bank ein Netzwerk von Einrichtungen, welche den potenziellen Bankräuber einem eklatanten Risiko des Scheiterns aussetzen.


Die Bank, die in der Regel keinen Wert darauf legt, ihre Vorratshaltungen an Bargeld an Räuber zu verlieren, lässt nichts unversucht, ihre Geldbestände gegen widerrechtliche Zugriffe vorsorglich zu sichern. Die Polizei wiederum, als institutionalisiertes Versprechen des Staats, Unrecht zu ahnden und Recht durchzusetzen, steht parat, im Fall des Falles die Nachsorge zu übernehmen.


Die Bank, die in der Regel keinen Wert darauf legt, ihre Vorratshaltungen an Bargeld an Räuber zu verlieren, lässt nichts unversucht, ihre Geldbestände gegen widerrechtliche Zugriffe vorsorglich zu sichern. Die Polizei wiederum, als institutionalisiertes Versprechen des Staats, Unrecht zu ahnden und Recht durchzusetzen, steht parat, im Fall des Falles die Nachsorge zu übernehmen.
Der Bankraub verstößt gegen das Gesetz, er ist mit vielerlei Unwägbarkeiten verbunden und äußerst risikoreich. Und dennoch: Die Tresore der Banken, die Geldtransporter und Panzerglas-Schalter beflügeln die Fantasie, nicht weniger als die Jackpots der Zahlenlotterie, deren Erfolgsquote kaum höher sein dürfte als die des Banküberfalls. Wer vermag sich der Magie des Geldes zu entziehen, und wer kennt sie nicht, die schöne Vorstellung vom schnellen Geld und vom nicht enden wollenden Wohlleben ohne den beschwerlichen Umweg über Mühen und Plagen?
Bankeinbrüche und -überfälle waren und sind Gegenstand alltäglicher Kommunikation, sie werden in aller Ausführlichkeit in der Regenbogenpresse geschildert, sie werden literarisch verarbeitet und filmisch umgesetzt. Und mögen derlei Delikte auch unter höchst unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und kontrovers diskutiert werden, so schwingt in der Auseinandersetzung über raffinierte Einbrüche in Banken und skrupellose Überfälle doch stets auch ein Funken Respekt mit. Genau deshalb gelangen die Protagonisten spektakulärer Raubzüge immer wieder zu einem Ruhm, der sich aus einer eigenartigen Bewunderung und Anerkennung speist.
Bewundert wurden etwa die vier amerikanischen Dalton-Brüder, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Jahren mäßigen Erfolgs als Farmarbeiter ihr Talent für Eisenbahnüberfälle entdeckten und am
5. Oktober 1892 in einem Kaff namens Coffeyville Kriminalgeschichte schrieben, indem sie den Versuch unternahmen zwei Banken zur gleichen Zeit auszurauben.
Dass dieses verwegene Unternehmen fehlschlug und drei der vier Brüder das Leben kostete, mag dazu geführt haben, dass die Daltons schließlich noch heute jedem Comicleser als grenzdebile Widersacher des Westernhelden Lucky
Luke bekannt sind.
Anerkannt und bewundert wird aber auch John H. Dillinger, der seine kriminellen Kompetenzen bereits in früher Jugend autodidaktisch bei Hühnerdiebstählen und Kohlenklau entwickelt hatte, ehe er in South Dakota einen genialen Coup landete.
Filmreifer Raub
Vor Tausenden Menschen, welche eingeladen worden waren, den Dreharbeiten zur Verfilmung eines Bankraubs zuzuschauen, räumte Dillinger mit seiner Bande die Kassen der Security National Bank von Sioux Fall leer.
Die Polizei, die viel zu spät bemerkt hatte, dass an diesen Dreharbeiten etwas faul gewesen war, nahm zwar die Verfolgung der Täter auf, wurde aber in ihren Bemühungen alsbald gestoppt, weil die Bande lange zuvor die Ausfallstraßen des Ortes mit Nägeln gespickt hatte, welche die Reifen der Polizeiautos zerstörten.
Typisch deutsche Wertarbeit lieferten in den späten zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Gebrüder Sass, welche sich durch legendäre Präzision und Innovationsfreude auszeichneten: Erstmals setzten Franz und Erich Sass den Schneidbrenner zur Öffnung von Tresortüren ein. Ihre Meisterleistung jedoch erbrachten die Brüder 1929, als sie vom Keller eines benachbarten Hauses aus einen Tunnel nach dem Tresorraum der Disconto-Gesellschaft am Berliner Wittenbergplatz gruben und sich solcherart Zugang zu den 181 Kundensafes der Bank verschafften. Erst nach Tagen vom Personal registriert, gerieten die Tat und ihre Begleitumstände zum Skandal: Der Polizei, welche die Gebrüder Sass dingfest machte, misslang die Beweisführung, worauf die Einbrecher freigelassen wurden und die Polizei dem Gespött der Nation anheim fiel.
Noch heute erinnern Berliner Fremdenführer gerne an die Gebrüder Sass. Erich Kästner ließ sich von ihnen inspirieren, und schon 1934 - noch zu Lebzeiten der später im KZ Sachsenhausen hingerichteten Hochleistungkriminellen - setzte ihnen Paul Gurk in seinem Roman "Tresoreinbruch" ein literarisches Denkmal.
Moderne Robin Hoods?
Die Liste der Beispiele mehr oder minder genialer Einbrecher und Räuber ließe sich noch lange fortsetzen, wobei das Studium der authentischen wie auch der literarisch ausgeschmückten Schilderungen krimineller Biographien vor allem eines zu Tage bringt: Der gute Bankräuber und der technisch versierte Panzerknacker genießen eine eigenartige Sympathie und können sich einer gewissen Solidarität in der Öffentlichkeit erfreuen.
Wer einen Millionencoup landet, wer Banken leer räumt und die Polizei nach allen Regeln der Kunst zu foppen fähig ist, der gerät schnell zum Volkshelden. Zumindest so lange die kriminellen Machenschaften unblutig vonstatten gehen. Aber da ist noch mehr: Anders als der gewöhnliche Straßenkriminelle, der ältere Damen auf dem Wochenmarkt um ihre Handtasche erleichtert, hat der kultivierte und sozial kompetente Bankräuber die Voraussetzung zum Heldentum.
Wer, wie etwa John Dillinger, artig nach dem Filialleiter fragt und diesem die höfliche Mitteilung macht, dass dies ein Überfall und die Barschaft der Bank auszufolgen sei, der wird am Ende für seine Kaltblütigkeit, seinen Mut und seine Selbstbeherrschung bewundert.
Wer darüber hinaus bei seinem kriminellen Akt noch soziale Gesinnung unter Beweis stellt und die in den Banken gelagerten Schuldscheine und Hypothekendokumente vernichtet, darf sich darauf freuen, in eine Reihe mit Robin Hood oder El Lute gestellt zu werden.
Ein Individuum zu bestehlen, eine Mietwohnung auszuräumen, solche Akte der widerrechtlichen Erwerbstätigkeit finden kaum je die Zustimmung der Bevölkerung. Populär indessen wird, wer seine kriminelle Energie gegen Institutionen richtet, welche in der Öffentlichkeit ohnehin einen zweifelhaften Ruf genießen.
In unseren Alltagen werden Banken als Finanzdienstleister gebraucht. Über Banken empfangen wir Lohn und Gehalt, in Banken bewahren wir unsere Ersparnisse auf und von Banken nehmen wir Kredite. Insofern ist die Einrichtung "Bank" unerlässlicher Bestandteil unseres sozioökonomischen Systems. Doch diese Unerlässlichkeit der Banken gereicht ihnen durchaus nicht notwendigerweise zum besten Ruf, denn so praktisch Banken auch oftmals sein mögen, sie erwecken doch den Eindruck, sich mühelos mühsam verdienten Geld des Einzelnen zu bedienen.
Banken haben Macht, so viel ist sicher, und für viele sind Banken schlichtweg ein Teil des komplexen Herrschaftssystems, welches scheinbar keine Rücksicht auf die kleinen Leute nimmt, sondern diese ausnützt. Banken, so unverzichtbar sie im Alltag sein mögen, sind Teil eines diffusen sozialen Oben, das gegen das soziale Unten gerichtet zu sein scheint.
Paradoxe Solidarisierung
Deshalb ist die berühmte Brecht-Frage "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" für viele durchaus nachvollziehbar. "Ich stahl von den Banken, die das Volk bestohlen haben", sagte einst ein Mitglied der Dillinger-Bande und brachte damit auf den Punkt, was viele dachten und noch heute denken.
Berichte über zweifelhafte Finanztransaktionen und rücksichtslose Geschäftsbedingungen heizen die Schadenfreude angesichts geglückter Banküberfälle nur noch an und führen zu einer paradoxen Solidarisierung mit den Räubern, welche genau genommen auch das Geld der kleinen Leute einsacken. So mag es dann kaum noch verwunderlich erscheinen, dass Teile der israelischen Bevölkerung kein Hehl aus ihrer Sympathie für einen verwegenen Überfall im Jahre 1990 machten, hatten doch viele Kleinanleger infolge des Bankenkrachs von 1983 ihre Einlagen verloren.
Weil saubere Arbeit und innovative technische Kompetenz in unserer Gesellschaft grundsätzlich positiv bewertet werden, weil die Cleverness pfiffiger Bankräuber irgendwie bestechend wirkt, weil die kaltblütige Gewalttätigkeit des Bankräubers zur Projektionsfläche der eigenen Rachegelüste gegen die machtvollen Institutionen wird, weil der Traum vom großen Geld von vielen Menschen geträumt wird und weil den Banken selbst stets ein klein wenig das Odeur des Räuberischen anhaftet, wird in den Köpfen das Bild vom guten Bankräuber entworfen.
Ein Bild, welches der Wirklichkeit nur bedingt gerecht wird, ein Bild aber, das den Hoffnungen und Sehnsüchten des "kleinen Mannes" entspricht, der trotz redlicher Plackerei zu nichts zu kommen scheint. Weil sich Banküberfälle und -einbrüche gegen das soziale Oben zu richten scheinen, geraten sie letztlich zu symbolischen Handlungen, zu Metaphern des Aufstands gegen die Mächtigen und Reichen.
Es ist der Traum vom Ausbruch aus den Zwängen unserer gesellschaftlichen Ordnung, welche an sich geächteten Akt des Raubs zur Projektionsfläche der eigenen Sehnsüchte macht. Und dennoch: Der Leserschaft sei hiermit ausdrücklich nicht empfohlen, derlei Träume und Sehnsüchte in praktisches Handeln umzusetzen!
Historisches, Soziologisches, Praktisches und Komisches zum Thema Bankraub lässt sich in einem jüngst erschienenen Buch nachlesen: Klaus Schönberger (Hg.): Vabanque. Bankraub, Theorie, Praxis, Geschichte. Berlin/Göttingen 2000.


Erschienen am: 20.04.2001

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