Licht und Schatten der dritten Enterprise-Staffel

Sowohl was die Stärken als auch die Schwächen der dritten Staffel angeht, knüpft ENT an ST-Traditionen an, die in der Originalserie (TOS) ihren Ursprung fanden - mal ganz abgesehen davon, dass auch Kirk und Co. vorzeitig von der Mattscheibe abtreten mussten. Auf der einen Seite wird die Tradition, aktuelle weltpolitische Themen aufzunehmen und zu bearbeiten, zugleich fortgesetzt und vertieft. Beschäftigten sich Kirk und seine Nachfolger/innen mit Themen wie Vietnam- oder Balkankrieg, Walfang oder Ozonloch in Episoden- oder Spielfilmlänge, so ist nahezu die gesamte dritte Staffel Phänomenen der "Post-9/11-World" gewidmet. Der Aufbau eines relativ komplexen Paralleluniversums mit großem transfiktionalem Potential wird möglich.

Capt. Archer: Düstere Stimmung in Shadow-Valley.
Capt. Archer: Düstere Stimmung in Shadow-Valley.
Für die groß angelegte Story-Line werden auf der anderen Seite jedoch die Entwicklung der Crew-Charaktere und die damit verbundene soziale Dynamik schwer vernachlässigt. Die Fokussierung auf Captain Archer, Wissenschaftsoffizierin T'Pol und Chefingenieur Tucker erinnert auch hier stark an TOS-Zeiten, als der Kreis der wesentlichen Akteure ebenfalls auf den Captain, seinen ersten Offizier und seinen besten Freund beschränkt gewesen ist. Die subjektiven Seiten des föderalen Entstehungsprozesses werden nur oberflächlich dargestellt. Etwa mit den seelischen Narben, die Archer, wie weiter unten näher beschrieben, im Krieg mit den Xindi davonträgt. Oder auch mit der ersten vulkanisch-menschlichen Romanze zwischen T'Pol und Trip. Hier dürfte auch ein wesentlicher Faktor für die nur eingeschränkte Annahme der Serie durch das Fandom begründet liegen, das von The Next Generation (TNG) über Deep Space Nine (DS9) bis Voyager (VOY) an eine breite Auswahl an Subjektentwürfen und ihren hochkomplexen Interaktionen gewohnt war. Wer in seinem Alltag nicht gerade mit ethisch schwerwiegenden Entscheidungen oder mit den Komplikationen einer spätadoleszenten und interkulturellen Beziehungskiste konfrontiert wird, dürfte dagegen Schwierigkeiten damit haben, die Auseinandersetzungen auf der Brücke der NX-01 derart spannend und angesagt zu finden, um eine siebenjährige TV-Freundschaft zu pflegen.

Green & cold blooded Woman meets Florida Boy. T'Pol und Trip beweisen: Adoleszens ist intergalaktisch.
Green & cold blooded Woman meets Florida Boy. T'Pol und Trip beweisen: Adoleszens ist intergalaktisch.


Doch wie stark sind die weltpolitischen Stärken der dritten Staffel in transfiktionaler Perspektive nun? Welche Rückschlüsse lassen sie einerseits auf den globalen Kriegszustand der Gegenwart und ihre Akteure zu? Wie weit ist der Entstehungsprozess der Föderation fortgeschritten und welche Bedeutung bekommt dies in der Erzählung? Die Antworten auf diese Fragen werden nicht allein Auskunft darüber geben, inwiefern ENT mit der Xindi-Erzählung Parallelen zur realen Weltpolitik konstruiert. Darüber hinaus wird sich auch herausstellen, ob die Serie dabei in bester Roddenberry-Tradition dazu in der Lage ist, über das Elend der Gegenwart hinaus zu weisen - that's what we call transfiction.